Gespenstisch leere Innenstädte, verrammelte Läden, ein paar eilig vorbeihuschende Passanten: Corona lähmt die Stadtzentren. Oder ist es gar nicht Corona, sondern der Trend zum Internet-Shopping? Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) lädt heute zum Innenstadt-Gipfel mit Wirtschaft, Verbänden und Politik. Wir haben vorab über ihr Konzept gesprochen.
Nagelstudio, Donut-Laden und 1-Euro-Shop: Ist das die Innenstadtwüste unserer Zukunft?
Genau das ist die Frage. Die Innenstädte verändern sich massiv – schon vor Corona, weil viele im Internet einkaufen. Ich will das nicht verteufeln, aber wir brauchen dringend Konzepte, um unsere Zentren zu beleben. Wir müssen erklären, wie wichtig Beratung im Laden ist, Events schaffen, Einkauf mit Kunst und Attraktionen kombinieren. In unseren Innenstädten wird sich viel ändern müssen, damit sie überleben.
Also die Innenstadt als Partybühne, dafür Shoppingcenter am Stadtrand?
Nein, eben nicht. Die Läden gehören ins Zentrum, die Marktplätze müssen mehr zum Erlebnis- und Wohlfühlort mit Freizeitcharakter werden. Kultur und Gastronomie können in vielen zentralen Gebäuden neu unterkommen, Schanigärten schaffen südeuropäisches Flair.
Dafür brauche ich Gastronomen und Einzelhändler – aber eine Ministerin?
Das will ich mit meinem runden Tisch anschieben, statt lange Behördenwege zu gehen. Wir haben viele große Förderprogramme für den Städtebau. Da fließen von Freistaat, Bund und EU jährlich rund 450 Millionen Euro. Ich will jedes einzelne evaluieren: Passt es noch? Hilft es zielgenau? Wir müssen Wohnen und Gewerbe stärker verschränken, das ist bisher zu streng getrennt. Viele junge Menschen wollen in die Innenstädte ziehen, wissend, dass dort Trubel ist – nach Corona werden die Menschen nach Leben und Begegnung lechzen. Außerdem sind Staat und Kommunen in vielen Fällen selbst Immobilienbesitzer.
Sind die Mieten in den Zentren zu hoch?
Das ist örtlich stark unterschiedlich. Man muss dort reagieren, wo lang Leerstand herrscht. Steht ein Laden ein halbes Jahr leer, muss natürlich die Miete runter, zumindest für die ersten Monate. Wir brauchen außerdem ein digitales Leerstands-Kataster für die Kommunen.
Sind autofreie Innenstädte attraktiver? Münchens Politik ringt da mit sich, auch viele Orte im Umland.
Da teilen sich die Meinungen. Einerseits sind Fußgängerzonen attraktiv, wir brauchen ein starkes ÖPNV-Angebot. Andererseits weiß ich, viele Kunden wollen mit dem Auto vors Geschäft fahren, gerade bei höherpreisigen Filialen. Läden, die per Auto unerreichbar sind, werden von vielen Kunden aus anderen Orten nicht bemerkt. Den Fehler hat meine Heimatkommune Unterhaching am Rathausplatz gemacht. Im autofreien Bereich machen die Läden reihenweise pleite. Da sieht man von der Straße nicht, dass es innen Geschäfte gibt.
Der Gemeindetag schlägt eine Paket-Steuer vor. Sprich: Internet-Shopping wird teurer. Hilft das?
Mei, diskutieren kann man über alles. Ich bezweifle aber, ob das unser Problem löst. Am Ende brauchen wir keine höheren Steuern, sondern attraktivere Innenstädte.
Und einen Tag in der Woche sperren wir wieder zu. Oder denken Sie und die CSU um beim Sonntag?
Ich glaube nicht, dass wir jeden Sonntag öffnen sollten. Für den Mittelstand, den kleinen Schuhladen, wäre das ein enormer Nachteil. Für Ausnahmen, besondere Events, bin ich offen. Corona erfordert, dass wir alle Regeln auf den Prüfstand stellen.
Interview: C. Deutschländer