Zwei Minuten lutschen für die Wissenschaft

von Redaktion

VON LARA LISTL

München – Es ist kurz nach halb acht, doch statt Unterricht starten in der Grundschule an der Stielerstraße in München erst mal die Testungen auf das Coronavirus. Mit farbenfrohen Masken und Abstand stehen die Kinder der Klasse 4b vor dem zur Corona-Teststation umfunktionierten Klassenzimmer an. Nacheinander treten der neunjährige Johan und die beiden zehnjährigen Schülerinnen Martha und Luise in den Raum.

An einem mit Plexiglas abgeschirmten Schreibtisch halten die Kinder ihre von den Eltern ausgedruckten Anmeldescheine hoch. Der QR-Code darauf wird vom ausgebildeten Schulpersonal gescannt und auf das als Salivette bezeichnete Teströhrchen übertragen. Jetzt beginnt der PCR-Test mittels Speichelprobe: Martha, Luise und Johan nehmen die Watterolle aus der Salivette und legen sie in den Mund. Zwei Minuten sollen sie an dem Watteröllchen lutschen, dann kommt es zurück in die Kunststoffröhre. Deckel drauf und ab ins Labor damit. Zehn bis 20 Stunden dauert die Auswertung der Speichelprobe. Deutlich länger als ein Schnelltest, dafür gilt der PCR-Test als „Goldstandard“ unter den verschiedenen Corona-Tests. Das Testergebnis erhalten die Eltern elektronisch per Smartphone oder E-Mail.

Johan, Martha und Luisa dürfen nun wieder zurück in ihr Klassenzimmer. „Geschmeckt hat das Watteröllchen nach nichts“, stellt Martha fest. Im Vergleich zu einem Rachenabstrich ist das Watteröllchen ihrer Meinung nach viel angenehmer. Dem stimmt Johann zu. Auch er hatte schon einen Rachenabstrich über sich ergehen lassen müssen und im Anschluss Halsschmerzen gehabt. Den Lutschtest findet er besser. Bei der Frage, ob das Testen wichtig ist, sind sich alle drei einig. „Es ist besser, Bescheid zu wissen, dass man auch zu Oma und Opa zu Besuch kann“, antwortet Johan. Und Luise sagt: „Die Tests sind wichtig, damit bald auch andere Schulen öffnen können.“

Insgesamt sollen zehn Prozent der Münchner Grundschulen mit dem Pilotprojekt Münchner Virenwächter 3.0 wissenschaftlich begleitet werden. Drei Ziele verfolgt die Studie:

. Umsetzbarkeit: Funktioniert die Selbsttestung mit der Salivette an Grundschulen gut, könnte diese Testmethode auch an weiteren Grundschulen etabliert werden.

.  Virusmutationen: Die Rolle von Grundschulen auf das Infektionsgeschehen soll wissenschaftlich untersucht werden.

.  Sicherheit: Sie soll für Schüler und Schulpersonal durch regelmäßige Testungen erhöht werden.

Geleitet wird das Projekt von der Task Force Infektiologie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und der Kinderklinik am Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums.

Die Grundschule an der Stielerstraße nimmt bereits zum zweiten Mal an dem Projekt teil. Sie waren schon 2020 bei den Vorstudien Münchner Virenwächter 1.0 und 2.0 mit dabei. Damals wurde zusätzlich zum Speicheltest per Salivette noch mit Rachenabstrichen getestet. „Die Kinder haben damals schon gut mitgemacht und jetzt konnten wir das Verfahren nochmals verbessern“, sagt Sebastian Vogel vom LGL, einer der drei Studienleiter des Projektes. Zweimal wöchentlich werden die Tests von freiwilligen Helfern der Stielerschule durchgeführt – auch Schulleiterin Rin Schöll wurde vom Studienteams dazu zum sogenannten „Virenwächter Champion“ ausgebildet.

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