München – Die Geschichte des heiligen Josef von Nazareth ist eine recht wechselhafte. Jahrhundertelang spielt er im Christentum kaum eine Rolle. Er ist nur eine Randfigur: Weder schafft er es auf den Darstellungen in den engen Kreis von Maria und Jesus, noch schafft er es ins christliche Festjahr. Doch das ändert sich 1621, als der Josefstag als Feiertag im römischen Kalender verankert wird.
Vielleicht, weil die katholische Kirche in der Gegenreformation um Gläubige kämpft und Selbstbestätigung sucht, gerade im Hinblick auf die Heiligenverehrung, vermutet Daniela Sandner, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege in München: „In dieser Zeit entstand auch die populäre Verehrung Josefs.“ Bald wird er vom Adel entdeckt: „Die Habsburger Kaiser haben ihn als Landesvater instrumentalisiert.“ Zwei Kaiser werden nach ihm benannt, der Vorname wird beliebt. „Im 18. Jahrhundert fand er massenhafte Verbreitung“, erzählt Sandner. Auch die Figur Josefs wird im 19. Jahrhundert immer wichtiger. Josef, Maria und Jesus sind nun eine Einheit, etwa in Weihnachtskrippen. „In der Zeit des Bürgertums entstand die klassische Familienstruktur mit Vater, Mutter, Kind“, erklärt Sandner. „Da passt Josef als Familienoberhaupt ganz gut rein.“
Mit der neuen Aufmerksamkeit verändert sich auch sein Aussehen. Im Mittelalter wurde er oft als Greis dargestellt, doch nun wird er zum jungen Vater. Und er wird mit bürgerlichen Tugenden ausgestattet: Er sei fleißig, genügsam und keusch – auch weil er die schon schwangere Maria als Ehefrau akzeptiert. „Oft wird er mit der Lilie als Zeichen seiner Reinheit dargestellt“, sagt Sandner. Sein zweites Attribut ist das Winkelmaß: Josef gilt als Zimmermann. Er wird zum Patron der Arbeiter und der Eheleute, 1870 sogar zum Schutzpatron der katholischen Kirche.
Und heute? Papst Franziskus hat das Jahr 2021 als „Jahr des heiligen Josefs“ ausgerufen. Dabei wies er dem Mann wieder neue Eigenschaften zu, etwa „kreativen Mut“: Denn Josef verstehe es, „ein Problem in eine Chance zu verwandeln, und zwar dadurch, dass er immer in erster Linie auf die Vorsehung vertraut“. Nur scheint das Problem heutzutage darin zu bestehen, dass es mit der Verehrung Josefs einfach nicht mehr weit her ist.
1969 wurde der Josefitag in Bayern als gesetzlicher Feiertag gestrichen. Zwar kämpft ein Verein namens „Königlich-Bayerische-Josefspartei“ seit den 1980er-Jahren für die Wiedereinführung des Feiertags – doch bisher bekanntlich ohne Erfolg. Im Alltag hat der Josefitag nur noch wenig Bedeutung. Wie auch der Name. In den Listen der beliebtesten Vornamen in Deutschland findet sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht ein einziges Mal der „Josef“; auch keine „Josefa“ oder „Josefine“. Doch es findet sich ein kleiner Hoffnungsschimmer: „Einige Vornamen wurden 2020 in Bayern im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich häufiger vergeben als anderswo, zum Beispiel Josef“, heißt es auf einer Vornamen-Webseite. Doch unter die 50 beliebtesten Vornamen hat es Josef 2020 auch in Bayern nicht geschafft.
Verschwindet Josef also aus unserer Erinnerung? Nun: „Hier zeigt sich heute auch der Bedeutungsverlust des Religiösen im Alltag, der lässt sich wohl kaum mehr aufhalten“, meint Sandner. Sie zweifelt auch daran, dass die Josefs und Josefas jenseits der Königlich-Bayerischen-Josefspartei heute noch eine besonders enge Verbindung zueinander verspüren. „Die Namenspatrone und Heiligenkalender mögen in religiös geprägten Gemeinschaften eine besondere Rolle spielen oder gespielt haben“, sagt Sandner. „In einer weitgehend säkularen Gesellschaft herrschen schlicht unterschiedliche Moden – auch in der Namensgebung.“