Letzte Dienstagnacht haben sich am Pullacher Isartalbahnhof vier „Künstler“ mit der Platzierung ihrer Farben an einer S-Bahn versucht. Durch das unerwünschte Auftauchen der Polizei kam es zum plötzlichen Interruptus des Vorganges mangels Auftrag. Vielleicht war zu vorgerückter Stunde die Ansicht gereift, mit dem eventuellen Besitz einer Monatskarte sei man auch Eigentumsteilhaber der Deutschen Bahn. Seit Graffiti partiell als Kunst anerkannt ist, erinnert mich das frappierend an den Begriff „Fahrradhauptstadt“. Solche grundsätzlich positiven Attribute werden leider oft als Freibrief für verschiedenste Ausuferungen verstanden. Was die Dosen außer Farbe noch abgeben, darf im Rahmen der Kunst gerne unerwähnt bleiben. Ich bin ganz dabei, legitime Flächen für Graffiti zur Verfügung zu stellen, im Werksviertel oder Schlachthof am ehemaligen Rossmarkt. Ganz im Gegenteil zum alten „Städtischen Wannen- und Brausebad“ vis-à-vis in der Thalkirchner Straße. Dort ist es nur blödartige Schmiererei, wie auch an diversen Isarbrücken und quer durch die Stadt. Unter dem Aspekt, dass wohl kaum ein nächtlicher Flaneur zufällig eine Spraydose bei sich trägt, ist das nix anderes wie grattlig. Zum Abbau von Frust und Wut gibt es Therapeuten, den Wald oder von mir aus auch einen Joint. Wer von seiner Kunst überzeugt ist und was Sehenswertes draufhat, sollte doch mit den Inhabern erkorener Flächen mal reden, vielleicht kann man sich ja arrangieren. Das wär zwar legitim, aber spießig und einem selbstgewählten Status als „Stadtguerilla“ nicht gerecht. Ich für meinen Teil hab einen Spray-Künstler für eine Arbeit mal engagiert, mich gefreut über seine Ideen, war zufrieden mit getanem Werk und hab dafür bezahlt. Basta, gut war‘s, und auch der Sprühmeister war, ganz legitim, zufrieden. Ich weiß nicht, welche Botenstoffe den Schädel erreichen müssen, um sich befugt zu fühlen, fremdes Eigentum auf der Schiene, im Park, an Wohnhäusern oder sonst wo zu bearbeiten. Da fehlt wohl einiges, wie auch Respekt vor der Kunst der Architekten oder gepflegter Fassaden. Ist das eigene Selbstbild derart erhöht, um sich als Dosenanarchist (im Namen der Kunst?) als wichtiges Utensil der Gegenwart zu sehen? Wer hat warum das über 100 Jahre alte Maxwerk an der Isar beschmiert? Hallo „Künstler“, das war und ist nicht Graffiti, so was verzerrt den Begriff ganz erheblich. Vor zwei Jahren sind schöne alte Fassaden auf über einhundert Metern in der Wittelsbacherstraße übel beschmiert worden. Die, ja Täter, wurden erwischt, einer war gerade sechzehn Jahre alt, der andere Mitte zwanzig und mittellos. Was tun mit den Herrschaften? Ganz sicher nicht, sie zum Abwaschen der Häuserwände verpflichten. Was würde ein Mensch, der illegal fremde Gegenstände besprüht, sagen, wenn man seinen Besitz ungefragt nach Gusto bearbeitet? Da find ich doch als elegantere Lösung die Beschmückung des eigenen Körpers per Tattoo. Da weiß man, was man hat, wem‘s gehört und wer so was mag. Das nenn ich prägnante Kunst! Tiefgründige und ideologisch inhaltsstarke Markierungen auf der eigenen Haut, frei gewählt und selbst bezahlt – so kann es sein. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wenn jemand auf die Idee käme, einen wilden Sprayer anonym und gegen seinen Willen zu tätowieren! Habe die Ehre, Manfred Schauer