„Viele junge Patienten sind nach Corona nicht mehr belastbar“

von Redaktion

INTERVIEW Dominik Buckert leitet an der Uniklinik Ulm eine Studie, die Langzeitfolgen von Covid-19 untersucht

Selbst für junge, gesunde Menschen kann das Coronavirus sehr gefährlich werden. An der Uniklinik Ulm läuft seit Jahresbeginn eine Studie, die sich mit den Folgen für Herz und Lunge befasst. Daran nehmen 520 Patienten aller Altersgruppen teil. Studienleiter Dr. Dominik Buckert berichtet über die ersten Zwischenergebnisse.

Welche Untersuchungen führen Sie durch?

Zunächst eine Basis-Diagnostik. Dazu gehört die Anamnese, Echo-Kardiographie des Herzens, großer Lungenfunktionstest, sechsminütiger Gehtest, ein EKG und ein aufwendiger Bluttest. Es ist wichtig, zu erkennen, welche Beschwerden schon vor der Infektion bestanden. Dann folgt bei Verdachtsfällen eine erweiterte Untersuchung von Herz und Lunge und eine MRT-Untersuchung des Herzens. Sollten sich dabei Hinweise auf Schäden ergeben, bekommen unsere Patienten invasive Tests wie eine Lungenspiegelung oder eine Herzkatheter-Untersuchung. 30 bis 50 Prozent der Patienten zeigen schon in der Basis-Diagnostik Auffälligkeiten. Das sind überraschend viele. Allerdings haben wir bewusst Patienten mit Beschwerden ausgewählt.

Welche Organe greift das Virus nach Ihrer Einschätzung besonders an?

Die Covid-19-Erkrankung ist eine systemische Erkrankung, die nahezu alle Organe angreifen und Folgeschäden verursachen kann. Im Wesentlichen betroffen sind Herz, Lunge und die Neurologie, zu der auch häufige Beschwerden wie chronische Müdigkeit, Depression und Konzentrationsschwäche zählen.

Sahen Sie Patienten, die nach einem eher milden Verlauf lange nicht zu alter Form zurückfanden?

Es gibt keine klare Wechselbeziehung zwischen der Schwere eines Infektions-Verlaufs und der Dauer der Genesung. Tatsächlich gibt es Patienten, die nach einem milden Verlauf noch Wochen oder Monate später über eine verminderte Belastbarkeit oder den Verlust der gewohnten Kondition beim Sport klagen. Bei ihnen sieht man manchmal Veränderungen wie die Narben einer überstandenen Herzmuskelentzündung, die aber nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit Covid-19 stehen muss. Es ist eher unwahrscheinlich, dass jemand, der sich gesund fühlt, in akuter Gefahr schwebt.

Welche schwerwiegenden Folgen sehen Sie noch?

Wir sehen bei vielen jüngeren Patienten, dass sie nicht so belastbar sind, wie sie sein müssten. Vor allem die Lungenfunktion ist das Problem. Das sind diffizile Veränderungen, die man nur in der speziellen Belastungsuntersuchung aufdecken kann. Im Alltag fällt einem 30-Jährigen nicht auf, wenn er nur 65 Prozent seiner Leistungsfähigkeit hat. Das merkt er erst beim Sport. Diese Art von Belastungsintoleranz sehen wir bei sehr vielen Menschen nach einer Corona-Infektion. In einem Ausmaß, das wir nicht erwartet hätten.

Bleibt das für immer?

Ich gehe davon aus, dass sich diese Einschränkungen durch Training oder Rehabilitation zurückbilden. Die Patienten haben aber wesentlich länger damit zu kämpfen als bei anderen Virus-Infektionen. Das kennen sie nicht, das macht ihnen Angst. Diese Patienten möchten wir weitere zwei bis drei Jahre begleiten, um Langzeit-Folgen einschätzen zu können. Schwere Folgeschäden nach zwölf Monaten sahen wir bislang nur selten.

Interview: Dorita Plange

Artikel 1 von 11