Rücksicht in der Kinderstube

von Redaktion

VON KATHRIN BRACK

München – Der Fasan reckt sich in die Höhe. Er scheint aus voller Kehle von dem gelben Schild zu schreien: „Ich bin ein Fasan und brüte hier. Pass bitte auf, mein Nest ist so gut getarnt, dass ich froh bin, es selber wiederzufinden. Du siehst es erst, wenn Du drin stehst.“ Schilder wie dieses hängen seit ein paar Tagen in den Wäldern im Landkreis Starnberg. Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft, Hartwig Görtler, hat sie in Zusammenarbeit mit einer Grafikerin entworfen und drucken lassen. Insgesamt 500 Stück haben der Jägerchef und seine Kollegen bisher angebracht.

Die Hinweise im A4-Format, gedruckt auf recyceltem Kunststoff, richten sich an die vielen Spaziergänger, die in der Pandemie Erholung im Wald suchen. „Die Leute müssen mal raus“, sagt Görtler. Die Jäger wollen keine Verbote aufstellen, sondern darauf aufmerksam machen, dass im Wald Tiere leben. Die gerade ihren Nachwuchs zur Welt bringen und großziehen.

Anders als Menschenbabys bleiben Tierkinder leise und gut getarnt in ihrer Kinderstube. Vielen Fressfeinden können sie so entgehen. Bei Spaziergängern ist das anders. Häufig werden vermeintlich einsame Tierkinder angefasst oder sogar eingesammelt. „Von Menschen angefasstes Wild wird unter Umständen nicht wieder von der Mutter angenommen und verhungert dann“, sagt Hannah Reutter vom Bayerischen Jagdverband, der ebenfalls mit einer Schilderaktion als Teil einer Besucherlenkungskampagne für mehr Rücksicht im Wald wirbt. Tierischem Nachwuchs zu nahe zu kommen kann laut Reutter übrigens gefährlich werden: „Während Rehe und Hasen eher flüchten, kann eine Wildschweinbache durchaus mal ihre Kleinen gegen Feinde verteidigen.“

Wenn Spaziergänger abseits der Wege laufen, stört das die Tiere. „Auch wenn es schwerfällt: Bitte auf den Wegen bleiben! Für das Wild sind Störungen auf den Wegen planbarer.“ Und obwohl in Bayern keine Leinenpflicht herrsche, empfiehlt der Jagdverband dringend, Hunde während der Brut- und Setzzeit bis Juli an der Leine zu führen. „Auch gut erzogene Hunde folgen ihrem Beutetrieb“, sagt Hannah Reutter. „Für von Hunden gepackte Kitze bleibt leider oft keine andere Möglichkeit, als das Tier zu erlösen.“

Dass immer wieder Tiere von Spaziergängern gestört werden, liegt auch an Internetdiensten wie Google. Wenn viele Menschen auf derselben Route durch den Wald gehen, vermerkt Google die Route als Weg – selbst, wenn es nur ein Trampelpfad ist. So werde aus einem Wildwechselgebiet plötzlich ein Spazierweg, sagt Hartwig Görtler. Er hat viele positive Rückmeldungen für die Schilder bekommen, aus ganz Deutschland und aus Österreich gibt es Anfragen. Besonders wertvoll seien aber die Reaktionen im Revier. „Die Leute fragen nach, man kommt ins Gespräch“, sagt er. „Und das ist das Wichtigste.“ Schließlich wollen die Jäger mit ihren Schildern informieren und sensibilisieren – bevor die Spaziergänger ungewollt im Fasanennest stehen.

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