SPD will Kohnen-Nachfolge regeln

von Redaktion

VON DIRK WALTER UND MIKE SCHIER

München – Die Bayern-SPD, das war mal eine stolze Partei, die sogar – lang, lang ist’s her – mit Wilhelm Hoegner 1945/46 und 1954/57 den Ministerpräsidenten stellte. Sagenhaft auch dies: Bei der Landtagswahl 1966 holte die SPD mit dem legendären Landesvorsitzenden Volkmar Gabert 35,8 Prozent und spielte fast in einer Liga mit der CSU. Davon übrig geblieben sind 9,7 Prozent bei der Wahl 2018, bei der jüngsten Umfrage waren es noch acht Prozent.

Fast trotzig klingt da das Bekenntnis von Ronja Endres, sie habe „keine Lust mehr auf schlechte Laune in der SPD“. Endres (34), die in Penzberg aufwuchs und heute in Regensburg lebt, könnte am Samstag zur SPD-Landeschefin gewählt werden – sie bewirbt sich zusammen mit dem Münchner Landtagsabgeordneten Florian von Brunn. Der 51-Jährige will einmal mehr ein Amt in der ersten Reihe: 2017 verlor er bei der Urwahl klar gegen Natascha Kohnen. Auch bei der Wahl zum Fraktionschef zog er – nach zweimaligem Patt – gegen Horst Arnold den Kürzeren. Werden von Brunn und Endres gewählt, würde die Bayern-SPD, die immer noch über 50 000 Mitglieder hat (drei Mal so viele wie die Grünen), erstmals von einer Doppelspitze geführt.

Gegen sie tritt als Solist der bisherige Generalsekretär und Bundestagsabgeordnete Uli Groetsch aus Weiden/ Oberpfalz an. Wenn man so will, dann ist Groetsch, ein Vertrauter der scheidenden Chefin Natascha Kohnen, der Kandidat des Establishments. Würde er am Samstag nicht gewählt, hätte die SPD ein Problem: Der 45-Jährige ist Spitzenkandidat der Bayern-SPD für die Bundestagswahl im September und wäre bei einer Nicht-Wahl angeschlagen. Kohnen, die ziemlich desillusioniert scheidet, hält sich offiziell aus dem Rennen heraus. Wer gewinnt? „Corona macht es extrem schwer, ein echtes Stimmungsbild zu ermitteln“, sagt sie.

Generell gilt: Das Team von Brunn/Endres dürfte in Oberbayern stark sein, Groetsch dagegen im Norden des Freistaats. Selbst als Generalsekretär war der Oberpfälzer kaum im Süden Bayerns unterwegs.

Der digitale Wahlkampf war schwierig, die Bewerber stellen sich deshalb möglichst breit auf, auch mit potenziellen Generalsekretären. Von Brunn/Endres ziehen mit dem Nürnberger Landtagsabgeordneten Arif Tasdelen (46) ins Rennen, Groetsch wählte die Ortsvorsitzende von Grünwald/Straßlach, Ramona Greiner (34).

Das Duo Endres/von Brunn mobilisiert – mit einigem Erfolg – die Basis und verweist auf eine Unterstützerliste mit über 120 Namen. Der ehemalige BR-Sportreporter Günther Koch ist da zu finden, auch die GEW-Chefin, viele Jusos – eher wenige Abgeordnete. Was für sich spricht, denn von Brunn gilt als kantiger Einzelkämpfer, weswegen man im Fall seiner Wahl auf die Arbeitsteilung mit der jungen Regensburgerin Endres gespannt sein darf. Jedenfalls ist schon raus, dass sich von Brunn weiterhin um die Umweltthemen kümmern darf, obwohl Ronja Endres vom Fach ist – sie ist hauptberuflich beim Bund Naturschutz. Die Newcomerin soll dafür die traditionellen Kernthemen der SPD beackern: Gewerkschaften, gute Arbeit, Erhalt der Industriearbeitsplätze. Als Expertise verweist sie auf ein neunmonatiges VW-Praktikum.

Da unterscheidet sich das Duo klar vom ehemaligen Polizisten Groetsch. Er sagt: „Die SPD ist die Partei der sozialen Gerechtigkeit und der Arbeit, das ist unser Markenkern.“ Er schlägt einen Covid-19-Marshallplan mit 30 Milliarden Euro Umfang vor. Zu dem Duo und seiner Arbeitsteilung bemerkt er spitz: „Ein Landesvorsitzender muss in der Lage sein, die gesamte SPD abzubilden.“

Es wird ein reiner Online-Parteitag, in der Münchner Parteizentrale sind nur die Kandidaten zugelassen. Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist live zugeschaltet. Gewählt wird geheim über ein verschlüsseltes Online-Formular. Formal müssen die 300 Delegierten zunächst über eine Satzungsänderung abstimmen, die die Wahl einer Doppelspitze künftig prinzipiell erlaubt. Auch Groetsch wird dem zustimmen. „Das ist der Zeitgeist“ – nur jetzt eben gerade noch nicht.

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