Erding/Freising – Eine kleine Gruppe Schülerinnen und Schüler pinselt einen Satz auf das rote Pflaster vor dem Erdinger Rathaus. „No more empty promises“ steht in giftgrünen Großbuchstaben auf dem Boden, zu Deutsch: keine leeren Versprechungen mehr. Jana Schröder, 18, ist eines der Mitglieder der Erdinger Ortsgruppe von „Fridays for Future“, die an diesem kalten Tag im März im Schneetreiben für das Klima auf die Straße gegangen ist. „Das war unsere bisher letzte größere Aktion“, sagt sie.
Vor der Pandemie zogen die Schülerdemos von „Fridays for Future“ massenweise Kinder und Jugendliche auf die Straße, zum Teil auch ihre Eltern und Großeltern. Und jetzt: kein Meer von Bannern, keine Lautsprecher, keine Menschenmassen. Das Coronavirus hat die Bewegung ausgebremst. „Das ist natürlich demotivierend“, sagt Jana Schröder. Trotzdem stehen sie und ihre Mitstreiter hinter den Corona-Maßnahmen. „Wir machen eben nur kleine Aktionen, sind vorsichtig. Auch die Pandemie ist eine Krise – wir wollen, dass das so gesehen wird.“ Selbst bei kleinen Aktionen sei das Interesse noch da, sagt sie. Auch vor dem Erdinger Rathaus seien sie mit einigen Passanten zum Reden gekommen. „Aber eben in viel kleinerem Rahmen und mit Abstand.“
Ernst Hörmann ärgert sich darüber, dass nur noch von Corona gesprochen wird. „Was wir unseren Kindern und Enkeln zumuten, was wir anderen Ländern zumuten – wenn das kippt, gibt’s kein Zurück mehr“, sagt er. Der 71-jährige Freisinger hat sich früh dem Anliegen der Schüler angeschlossen. Vor ungefähr zwei Jahren initiierte er die monatlichen Mahnwachen in seiner Heimatstadt. Er ist ein konsequenter Klimaschützer: Hörmann hat kein Auto und erledigt alle Fahrten mit dem Rad oder der Bahn. Gerade ist er von einem Besuch bei seinen Enkeln in Regensburg zurückgekommen, sieben Stunden dauerte allein die Rückfahrt mit dem Rad.
Die Generation seiner Enkel ist es auch, die ihn anspornt weiterzumachen – obwohl seine Mahnwachen wegen der Pandemie nicht mehr stattfinden können. „Zuletzt haben wir am globalen Streiktag mit den Fridays ein Banner an der Korbiniansbrücke aufgehängt“, erzählt er. Aus seiner Ein-Mann-Mahnwache war schnell eine Gruppe von 200 Unterstützern geworden. „Jetzt sind wir noch 50, das liegt sicher auch an Corona.“
Von einem Schwund merken die Münchner Aktivisten von „Fridays for Future“ nichts. „Es ist von außen vielleicht nicht sichtbar“, sagt Sonja Ziegler. „Aber FFF lebt.“ 30 bis 40 Aktivisten engagieren sich regelmäßig in der Landeshauptstadt, insgesamt besteht die Gruppe aus rund 100 Leuten. Der Protest ist Corona-bedingt ins Digitale umgezogen: „Statt der großen Demos machen wir viel online, auf unseren Social-Media-Kanälen.“ Auf Twitter oder Instagram zeigen sie Fotos von den Aktionen, oft sind es Streikplakate, die sie in kleinen Gruppen und mit Abstand präsentieren. „Wir machen immer noch so gut wie jeden Freitag etwas“, sagt Ziegler. Und erreichen damit immer noch viele Menschen.
Demos werden seit der Querdenker-Bewegung kritischer beäugt, „das ist uns bewusst. Wir wollen uns davon natürlich abgrenzen und klar distanzieren.“ Wenn es wieder gefahrlos möglich ist, wollen sie in München aber wieder mit sichtbaren Streiks auf die Klimakrise aufmerksam machen. „In einer Demokratie sind Demonstrationen ein wichtiges Mittel. Im Moment müssen wir allerdings Corona mit bedenken.“ Die letzte Aktion fand vergangenen Freitag zum EU-Klimagipfel statt.
Auch Jana Schröder und die Erdinger „Fridays for Future“-Gruppe wollen ihren Protest nicht einstellen. „Die Motivation ist immer noch da“, sagt sie. „Leider ist das Gemeinschaftsgefühl ein bisserl verloren gegangen. Es ist nicht mehr so wie am Anfang.“ Zum harten Kern der Gruppe gehören noch sieben Schüler, „bei Aktionen sind wir 15“. Sie seien dabei, neue Leute zu gewinnen. In den nächsten Wochen wird es aber aus einem Grund ruhig bleiben, der nichts mit der Pandemie zu tun hat: Ein Großteil der Gruppe macht dieses Jahr Abitur.