Fürstenfeldbruck – Im Raum F 2.11 der FOS/BOS in Fürstenfeldbruck wartet die Berufsoberschulklasse „Gesundheit“ gerade auf die Herausgabe ihrer Kurzarbeit. Alle sitzen mit Masken an Einzeltischen, es mieft im Raum, aber eine Schülerin schiebt schnell das Fenster auf. Eine CO2-Ampel gibt es nicht. „Die ganze Schule hat nur zehn Stück, bei 42 Klassenräumen“, berichtet der Lehrer.
Doch ins Homeschooling verbannen lassen wollen sich die Schüler nicht. „Präsenzunterricht ist generell besser“, sagt ein Schüler. Die technische Ausstattung sei „nicht so toll“. Zwar sind Kameras installiert. Aber diejenigen, die dem Unterricht zu Hause zuhören, verstehen oft nicht so viel. Eine Schülerin sagt: „Wenn man zu Hause ist, ist man benachteiligt.“
An der Fürstenfeldbrucker FOS/BOS sind 44 der 47 Klassen als Abschlussklassen definiert. Damit haben die Schüler ein Recht auf Wechselunterricht auch bei einer Inzidenz von weit über 100. Jeden zweiten Tag darf jeweils die Hälfte der Schüler in die Schule gehen. So ist es an allen 119 Fach- und 66 Berufsoberschulen in Bayern mit ihren insgesamt über 53 000 Schülern. Fürstenfeldbruck zählt mit 1100 Schülern zu den fünf größten Fach- und Berufsoberschulen in Bayern. Täglich betreten 550 Schüler das Schulgebäude – und viele Lehrer sehen das mit gemischten Gefühlen. Zwar werden die Schüler jeden zweiten Tag getestet. Aber so ganz zuverlässig seien die Tests ja nicht, sagt Schulleiterin Monika Pfahler. Immer wieder passiert es, dass ein Schüler erst Symptome hat und dann der Test anschlägt – dann muss, wie aktuell auch, eine halbe Klasse in Quarantäne.
Die Schulleiterin sitzt im Besprechungsraum, drei Personalräte kommen dazu. Auf dem Tisch Desinfektionsspender. Fenster auf, Maske an – die Lehrer sind vorsichtig. Nicht ohne Grund. Monika Pfahler beschreibt die Lage. Von den 120 Lehrern ihrer Schule sind nur vier schon zwei Mal geimpft. 20 haben den ersten Pieks erhalten, die große Mehrheit aber hat bisher keinen Impftermin. Auch die Schulleiterin nicht.
Die meisten Schüler an FOS und BOS sind zwischen 14 und 19 Jahre alt, wie Lehrerin Christiane Köhler berichtet. Sie ist Personalrats-Vorsitzende und Vertreterin des Verbands der Lehrer an Beruflichen Schulen (VLB). Zuletzt lag der Inzidenzwert in der Altersgruppe ihrer Schüler bei über 270. „Damit sind die Schüler mit der höchsten Inzidenz unsere Kundschaft.“
Mehrmals haben die Lehrer darauf gedrängt, dass sie beim Impfen schneller dran kommen. Ohne Erfolg. Der Freistaat bremst – auch zum Ärger der Gymnasial- und Realschullehrer. Bisher werden nur Grund- und Förderschullehrer in der Priorität 2 eingestuft. Lehrer der weiterführenden Schulen verharren in der Prio 3. Christiane Köhler findet das im Fall der FOS/BOS nicht fair, schließlich komme ein FOS-Lehrer mit weit mehr Schülern in Kontakt als der Kollege am Gymnasium. Sie wünscht sich daher eine „Priorität 3a“.
Dem Abitur, das auch an der FOS mit ersten Prüfungen im Mai beginnt, sehen die Lehrer mit gemischten Gefühlen entgegen. Zwar müssen die Schüler die ganze Zeit Masken tragen. Aber nach einem Gerichtsurteil entschied das Kultusministerium, dass es den Schülern nicht vorgeschrieben werden kann, sich am Tag der Prüfung testen zu lassen. Auch ungetestete Schüler dürfen also am Abitur teilnehmen – in gesonderten Räumen. An der FOS/BOS sind fünf Schüler im Dauer-Homeoffice, denn sie lehnen die Tests ab. „Eine Schülerin schrieb, sie bekäme Nasenbluten“, berichtet ein Lehrer. Zum Abitur darf sie trotzdem kommen. Bei den 11. Klassen ist die Verweigererquote sogar noch größer – rund 30 lehnen die Schnelltests ab. Aber die Elftklässler schreiben immerhin in diesem Jahr kein Abitur. Den Lehrern wird mulmig bei dem Gedanken, in den Abiprüfungen, wenn die Schüler in großer Masse in der Turnhalle sitzen, könne ein „Superspreader“ dabei sitzen.
Der Personalrat hat jetzt einen Brief geschrieben. Es ist ein Verzweiflungsschrei. Die Lage an den FOS/BOS werde von der Politik „vollkommen ignoriert“, heißt es. Lehrer und Schüler seien „einem unzumutbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt“. Daher sei eine Impfung „für uns Lehrer, besonders an unserer Schulart, umso wichtiger.“ Aber: „Unser Landkreis – als Sachaufwandsträger und auch zuständig für die Impfzentren – hat auf unsere Anfragen leider nicht weiterhelfen können oder wollen.“ Die „Fürsorgepflicht“ des Staates werde da „grob fahrlässig“ vernachlässigt.