Tegernsee – Mehrere Gitarren hängen an den Wänden, ein großes Mikrofon steht im Raum, gegenüber ein Schlagzeug neben einer einladenden Ledercouch unter dunklen Dachbalken. Ziemlich gemütlich sieht es aus im Studio von Beni Hafner, der in der bayerischen Musikszene wohl besser unter seinem Künstlernamen „Oimara“ bekannt ist. Zehn Gitarren habe er mittlerweile, sagt der 29-Jährige und schaut sich im Raum um, während er in seinem Drehstuhl lehnt und lässig hin und her schwingt.
Am Anfang seiner noch jungen Musikkarriere stand eine ganz bestimmte Gitarre: Die, die der gebürtige Tegernseer im Alter von zehn Jahren vom Vater geschenkt bekam. Damals wohnte Hafner mit seinen Eltern auf 1100 Metern Höhe oberhalb des Tegernsees auf einer Alm. In der Schule im Tal nannte man ihn deshalb den „Oimara“ – zu hochdeutsch: „der Almerer“. „Die meisten haben ein Problem, wenn sie den Namen lesen und betonen die zweite Silbe. Das klingt dann eher arabisch als bayrisch“, sagt der 29-Jährige und lacht.
Fast zwei Jahrzehnte ist das Geschenk nun her. In dieser Zeit hat sich einiges um den jungen Musiker getan. Der „Oimara“ wohnt mittlerweile im Tal. Zwei Alben hat er in der Zwischenzeit veröffentlicht – das jüngste erst im Februar. „A Quantum Prost“ lautet der Titel, der unweigerlich an den James-Bond-Thriller „Ein Quantum Trost“ erinnert. „Das Quantum Prost ist in der aktuellen Zeit für viele das einzige Quäntchen Trost“, philosophiert Beni Hafner über den Corona-Lockdown. Aber es gibt noch eine Wahrheit. „Quantum heißt auch die Stamm-Boazn in Rottach-Egern, wo wir früher oft waren“, sagt er und grinst verschmitzt.
Im „Quantum“ lernte er auch seine Freundin kennen. Um sie geht es in „Disco Kathi“, Lied Nummer vier auf dem Album. „Hast du schon mal ’ne Party gemacht mit dieser Kathi?“, singt der „Oimara“ zu flotten Gitarren- und Schlagzeug-Takten über eine Katharina. Das Tanzen mit ihr „muas ma sich verdiena“.
Die meisten seiner Songs würden von Erlebnissen und Erfahrungen aus seinem Leben handeln, erzählt Beni Hafner. Meist entstehen sie aus dem Bauch heraus und der „Oimara“ hält sie erst später mit Stift und Papier fest. So singt er in „Bierle in da Sun“ über das Lebensgefühl, im fetzigen „Busheislparty“ über die Partys auf dem Land, als man noch zu jung war, um in die Diskotheken reinzukommen. Oder er äußert sich sarkastisch-kritisch über die „Bonzenkarren vom Tegernsee“.
Die Musik hat der Tegernseer wohl im Blut. „Meine Eltern erzählen immer, dass ich schon früh überall draufgeklopft habe oder auf dem Volksfest mit der Plastiktrompete neben der Bühne stand und so getan habe, als würde ich musizieren“, erzählt Hafner. Der junge Beni bringt sich das Gitarrespielen selbst bei und singt alleine, in seinem Zimmer oben auf der Hafner-Alm. Seine Eltern, die die bei Promis und Einheimischen beliebte Alm 19 Jahre lang bewirtschaftet haben, fordern ihn eines Abends auf, in der Gaststube vorzuspielen. „Und dann habe ich Manuel Neuer mein Lied ,Bierle in da Sun‘ vorgespielt“, erzählt der Musiker. „Er wollte, dass ich es ihm danach per E-Mail schicke.“
Über Mundpropaganda wird er immer bekannter, spielt auf Geburtstagen etwa von Schauspieler Fritz Wepper und auf Weihnachtsfeiern – bis er auf der Schwabinger Kleinkunstbühne „Vereinsheim“ landet. Und bei Dieter Nuhr im Fernsehen. Der Kabarettist lernt Beni bei einer Privatfeier auf der Hafner-Alm kennen, als der dort vor den Gästen aufspielt. „Am Ende bin ich froh über den Arschtritt von meinen Eltern. Ich habe ja selbst nicht an mich geglaubt“, sagt Beni Hafner und schaukelt mit dem Stuhl hin und her.
Der erste große Schritt in Richtung Bekanntheit gelingt dem „Oimara“ 2016 mit „Bierle in da Sun“. „Ein Freund hat das Video aufgenommen und auf Youtube hochgeladen“, sagt Hafner. „Dann ging es viral, wie man so schön sagt.“ Locker lässig im Schneidersitz, mit Gitarre, Zigarette und Sonnenbrille sitzt der damals Mittzwanziger in der Sonne – neben sich ein geöffnetes Bier abgestellt. „Trink’ a Bierle in da Sun, a Bierle in da Sun, schleck an Schaum von de Lippn, mei Lippn, tuat des guad“, lautet die Hommage an das bayerische Nationalgetränk. Welches sein Lieblingsbier ist? „Das Tegernseer, natürlich“, sagt Beni Hafner und deutet Richtung Wand – die Himmelsrichtung, in der sich die Brauerei befindet.
Hat man sich von der bequemen Ledercouch in dem Dachgeschoss-Studio einmal erhoben, ist das Tegernseer Bräustüberl tatsächlich nicht mehr weit. Zweimal umfallen sozusagen und schon steht man neben dem bekannten hellgelben Gebäude mit Blick auf den in der Sonne glitzernden Tegernsee und seinen dunkelgrünen Bergen ringsum. „Hier habe ich als Kind viel Zeit verbracht – und mein erstes Bier getrunken“, erinnert sich der 29-Jährige und blickt auf das hohe Gebäude. Seine Mutter habe im Bräustüberl gearbeitet, während sie parallel mit dem Vater den nahen Jachtclub bewirtschaftete. Danach, als Beni sechs Jahre alt war, zog es die Familie auf die Alm rauf, erzählt er.
An seine Schulzeit erinnert sich der Musiker noch gut. „Ich hab immer viel Schmarrn gemacht“, sagt Hafner und grinst leicht verlegen. Mit 15 Jahren schicken ihn die Eltern auf ein Internat an den Chiemsee – nach eineinhalb Jahren kommt der Teenager schon wieder zurück. Er habe die Schüler mit zu viel Schmarrn angesteckt, behaupten die Lehrer.
Was dann folgt, ist ein kompletter Umbruch. Mit 17 Jahren packt er seine Sachen und geht für ein fünfmonatiges Praktikum in ein Zwei-Sterne-Restaurant auf Mallorca. „Es war eine extrem harte Zeit und gleichzeitig die beste meines Lebens“, erinnert sich der Tegernseer. 15 Stunden arbeiten, sechs Tage die Woche, Kollegen aus Österreich, Italien, Spanien und Deutschland, Hafen statt Berge und Meer anstatt See: „Diese Erfahrung hat mich auf jeden Fall abgehärtet“, sagt Beni Hafner.
Auf das Praktikum in der Restaurantküche folgt eine Ausbildung zum Koch. Insgesamt vier Jahre bleibt Beni Hafner auf der Insel, bis er „weniger blauäugig und ein bisschen als anderer Mensch“ wieder an den Tegernsee zurückkehrt.
Nachdem die Gitarre auf Mallorca „nur zum Runterkommen“ gespielt wurde, erhält sie zurück in Bayern wieder mehr Aufmerksamkeit. Mehr als das Hotelmanagement-Studium, das Hafner nach seiner Rückkehr begonnen hat. „Ich hab gespürt, dass da was ist, was raus muss“, erzählt der 29-Jährige und runzelt die Stirn. Kurzerhand bricht er das Studium ab. Ab da heißt es: volle Konzentration auf die Musik.
Als Musiker und ehemaliger Gastronom sei der Lockdown „extrem deprimierend“, sagt Beni Hafner. „Aber ich habe mich mit der Situation mittlerweile arrangiert.“ In der Schublade im Studio liegen noch einige unveröffentlichte Songs – und in den sozialen Medien unterhält er seine Fans derzeit mit kabarretähnlichen Videoclips. „Du warst scho immer der Schmarrnkübe’ – und jetzt hast es dir zum Beruf gemacht“, zitiert der „Oimara“ einen ehemaligen Schulfreund, hält kurz inne und ergänzt strahlend: „Irgendwo stimmt’s ja schon.“