München – Ist das pure Angeberei oder tatsächlich ein Aufruf zu einer Straftat? Im Messenger-Dienst Telegram wird für den Kauf gefälschter Impfpässe geworben. In dem Chat der Gruppe „München steht auf“, die allwöchentlich zur Teilnahme an Demos gegen die Corona-Maßnahmen aufruft, finden sich Einträge, wie so ein Pass leicht zu bestellen ist. Im Chat tauschen sich ein „Henry“ und eine „Regina“ über den Impfpass-Kauf aus. „Die arbeiten echt professionell“, schreibt „Henry“, der den Pass angeblich schon gekauft hat. „Konnte mir Stadt/Impfzentrum, Datum und Impfstoff fast frei aussuchen.“
Bis zur Polizei vorgedrungen sind solche und ähnliche Chats allerdings noch nicht. „Wir haben noch keinen Fall in Bayern, der bearbeitet wird“, sagte der Sprecher des Bayerischen Landeskriminalamtes, Fabian Puchelt, unserer Zeitung. Allerdings warnt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor den Fälschungen. „Wer einen gefälschten Impfausweis vorlegt, muss mit einer empfindlichen Strafe rechnen. Das ist kein Bagatelldelikt, sondern Urkundenfälschung“, erklärte er. Neben dem strafrechtlichen Aspekt sei „insbesondere auch problematisch, dass Nutzer solcher gefälschten Impfausweise mit ihrem höchst unverantwortlichen Verhalten das Coronavirus weiterverbreiten können“.
Ein Problem ist, dass die Impfdokumente relativ leicht zu haben sind. Den gelben Blanko-Ausweis („Internationale Bescheinigung über Impfungen und Impfbuch“) bekommt man für 4,90 Euro via Amazon. Einzig die Stempel und die beiden Sticker mit dem Nachweis, welchen Impfstoff man gespritzt bekommen hat, sind dann noch zu besorgen. Die Kosten für einen gefälschten Impfausweis sollen bei rund 100 Euro liegen.
Die Zukunftslösung – da sind sich viele einig – ist ein digitaler Impfpass. Innenminister Herrmann sieht hier den Bund und die Europäische Union in der Pflicht. „Es ist höchste Zeit, dass bald ein elektronischer Impfausweis zur Verfügung steht, der fälschungssicher ist“, sagte der CSU-Politiker. „Ich hoffe, dass das sehr schnell auf Bundes- oder EU-Ebene realisiert wird.“ Wenig Aussicht auf Verbreitung haben indes erste lokale Versuche etwa in den Landkreisen Ebersberg und Altötting, wie Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bei einem Besuch im Ebersberger Impfzentrum deutlich machte. Einen bayerischen Alleingang werde es nicht geben, trotz der Aufmerksamkeit, die das Projekt erfahre. „Ich schaue mir überall Dinge an, die es gibt, aber es muss schon eine bundesweite Lösung sein“, sagte Holetschek. „Es macht keinen Sinn, irgendwelche Insellösungen zu propagieren.“ Lobenswert sei die Ebersberger Initiative dennoch – daraus gesammelte Erfahrungen könne man „dem Bund weitergeben“.
Einen noch größer angelegten Versuch mit einem elektronischen Nachweis gibt es in Thüringen. Seit dem Start der Abrufmöglichkeit habe es rund 60 000 Anfragen danach gegeben, sagte Jörg Mertz, Leiter des Pandemiestabs bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Der Nachweis in Gestalt eines PDF-Dokuments mit QR-Code kann auf dem Terminvergabeportal des Landes heruntergeladen werden, sofern man sich in einem Impfzentrum die Spritzen geholt hat. Beim Hausarzt gibt es den Nachweis noch nicht. Er enthält den Namen des Geimpften, den verabreichten Impfstoff und das Datum der beiden Einzelimpfungen. Auch der Papierausdruck ist möglich. dw/ja/dpa