Klein-Hogwarts in Landsberg

von Redaktion

Ein verkanntes Genie baute seiner Mutter einen skurrilen Turm

Eigentlich hätte diese Geschichte am Muttertag erscheinen müssen. Warum? Weil diese Art Mutterliebe, von der gleich berichtet wird, einfach unübertroffen ist. Denn wo gibt es das schon, dass jemand seiner Mutter zu Ehren einen 30 Meter hohen Turm baut. Deshalb heißt das fantasievolle Ding in Landsberg am Lech unweit des Stadtzentrums auch Mutterturm.

Der Mutterturm könnte von Hundertwasser entworfen sein, mit all seinen Türmchen, Stübchen, Zinnen und goldenen Dächern. Er wäre auch eine Kulisse für die Harry-Potter-Filme. Klein-Hogwarts am Lech sozusagen. Aber das konnte der Erbauer, Landsbergs Tausendsassa Hubert von Herkomer (1849-1914), nicht wissen. Hubert von Herkomer kennt heute außerhalb von Landsberg wahrscheinlich kein Mensch. Das ist schade, denn er war ein verkanntes Genie – zu Lebzeiten durchaus berühmt, später fast vergessen. Zu einer Berühmtheit über den Tod hinaus hat es bei von Herkomer nicht gereicht.

Er wurde in Waal bei Landsberg geboren, absolvierte eine Kunstausbildung, und ging schon in jungen Jahren ins viktorianische England, das ihm zur zweiten Heimat wurde. Wikipedia beschreibt ihn als Maler, Bildhauer, Regisseur und Filmemacher, Schriftsteller und Wegbereiter des Automobilsports. Von allem ein bisschen. Die kunterbunte Schaffenskraft spiegelt sich auch im Museum, die ein rechtes Sammelsurium hortet. Porträts, Gemälde, manche im alpenländischen Stil („Der Schuhplattler“, 1873), Erfindungen – zum Beispiel eine Art Fitness-Rad, längst bevor das Wort in Umlauf kam – und vieles mehr. Eine Domäne von Herkomer war der Automobilsport. Schon 1905 regte der begeisterte Automobilist eine Rallye in Deutschland an und sponserte sie. Die Herkomer-Konkurrenzen waren populär, weil aufgrund der persönlichen Kontakte des Künstlers auch Teilnehmer aus dem Hoch- und Geld-Adel teilnahmen.

Hauptattraktion ist aber natürlich der Mutterturm, der aus Tuffstein gemauert ist. In Landsberg am Lech, wo die 1879 verstorbene Mutter Josephine ihre letzten anderthalb Lebensjahre verbracht hatte, erwarb Herkomer Baugrund neben dem früheren Wohnhaus der Eltern (heute ist hier das Museum untergebracht) und begann, einen 30 Meter hohen Turm zu bauen. 1887 war er fertig. Zwischen Elternhaus und Turm entstand 1909 noch eine Art Wehrgang, der beides verbindet.

Das Museum bewirbt das Bauwerk als „sehr extravagantes Denkmal des Historismus“ mit Anlehnungen an den neugotischen Stil. Na ja. Steile Treppen führen hoch zu einer Art Ritterstübchen. Alles ist mit Holz vertäfelt. Schräg. Man hat eine schöne Aussicht auf die Landsberger Altstadt und die Lechstufen.

Dann steigt man langsam wieder runter, spaziert ein wenig durch den angrenzenden Garten mit dem kleinen Wasserlauf und wundert sich über den wunderlichen Mann, dem Landsberg diese Attraktion zu verdanken hat.

DIRK WALTER

Öffnungszeiten

Die-So 13-18 Uhr, Eintritt 5 Euro (ermäßigt 2,50 Euro)

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