Sibler legt entschärftes Hochschulgesetz vor

von Redaktion

Nach Protest nun doch keine Unternehmer-Unis – Aber Gründungsfreisemester für Professoren

München – Selten hat ein Gesetzesvorhaben so viel Widerstand seitens der Betroffenen produziert wie dieses: Mit einer umfassenden Hochschulreform möchte Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) die Unis und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) verschlanken und, wie er sagte, Freiräume für „Unternehmergeist und Erfinderfreude“ schaffen. Nun liegt nach vielen Vorarbeiten und Grundsatzpapieren ein erster Entwurf für das Hochschulinnovationsgesetz vor – und wie von Sibler bereits in einem Interview mit unserer Zeitung versprochen, taucht darin der Begriff „unternehmerische Hochschule“ nicht auf. Denn das war das Schreckgespenst, das viele Geisteswissenschaftler (auch konservativ gesinnte) aufhorchen ließ und zu Unterschriften auf Protest-Listen inspirierte (mindestens 16 sind bekannt): Sollten die Unis kapitalisiert und einseitig auf Hightech und Ökonomie getrimmt werden – zulasten der Geisteswissenschaften?

Sibler ging es gestern nach Beratung seines Vorhabens im Ministerrat erkennbar darum, diesen Eindruck zu vermeiden. Unis seien „keine Dax-Firmen“, sagte er. Und: „Die Wissenschaftsfreiheit bleibt unangetastet.“ Das Hochschulinnovationsgesetz ist Teil der „Hightech Agenda Bayern“ und soll dazu beitragen, den Wissenschaftsstandort Bayern für die nicht weniger als „die nächsten 20 bis 30 Jahre“ zukunftsfest aufzustellen. Die Reform beruht auf mehreren Säulen: Unter anderem sollen die Unis und Hochschulen eigenverantwortlicher handeln können. Die Berufung von Professoren soll dadurch beschleunigt werden. Die HAW erhalten das lange gewünschte Promotionsrecht, aber nur auf forschungsstarken Gebieten. Und: Ein bisschen Ökonomisierung muss schon sein. Die Möglichkeit der Hochschulen, sich an Unternehmen zu beteiligen und Start-ups zu gründen, wird erleichtert. Professoren erhalten dafür bis zu zwei Gründungsfreisemester.

Sibler betonte auch, er wolle die Gleichstellung fördern. Vor der Einführung einer Frauenquote schreckt er jedoch zurück. Immerhin: Hochschulleitungen sollen künftig zu 40 Prozent weiblich sein. Neu ist, dass die Studierenden erstmals eine Vertretung auf Landesebene erhalten: den Landesstudierendenrat. Sibler betonte, die Reform werde kein Sparmodell. Sie sei mit 3,8 Milliarden Euro unterfüttert, enthalte 1000 neue Professuren und biete die Chance zur Entfristung bisher nur auf Zeit angestellter Hochschul-Beschäftigter.

Der Gesetzentwurf geht jetzt in die Anhörung der Verbände. die bayerische Wirtschaft reagierte schon erfreut, lobte den „Unternehmergeist“, den das Gesetz atme. Nach der Sommerpause – Sibler hat den Zeitplan etwas nach hinten geschoben – soll das Gesetz verabschiedet werden. Auf die Unterstützung der Opposition kann er nicht zählen. Die SPD kündigte an, dagegen zu stimmen. Siblers Gesetz enthalte „veraltete Konzepte zu Deregulierung und Effizienzsteigerungen aus der neoliberalen Mottenkiste“. Die Grünen setzen Siblers Entwurf ein eigenes Hochschulfreiheitsgesetz entgegen. Wenigstens ist der Protest aus dem Hochschul-Bereich leiser geworden – was aber auch an Erschöpfung liegen kann. DIRK WALTER

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