München/Starnberg – Die einen plaudern über ihre erste Impfung, andere schweigen, man kann halt nicht mitreden: Denn der Impffortschritt in den oberbayerischen Landkreisen erweist sich als ziemlich verschieden: Während etwa im Kreis Starnberg die Quote der Gesamtbevölkerung bei den Erstimpfungen am Freitag bereits bei 48 Prozent lag – in Bad Tölz-Wolfratshausen und Mühldorf ähnlich hoch –, betrug der Schnitt in Stadt und Kreis Rosenheim bei 324 300 Einwohnern nur rund 35 Prozent. Vergangene Woche äußerten Rosenheimer Hausärzte wegen dieser Diskrepanz Kritik. Dr. Nikolaus Klecker, Bezirksvorsitzender im Bayerischen Hausärzteverband mit Praxis in Rosenheim, sagte beispielsweise: „Hier gilt das Kuckucksprinzip. Wer seinen Mund am weitesten aufreißt, wird am ehesten gefüttert.“
Tatsächlich hatte etwa Starnberg im April eine Sonderlieferung vom Freistaat von 10 000 Dosen Astrazeneca erhalten, Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte im Herrschinger Impfzentrum: „Na also, dann ist ja jetzt hoffentlich Schluss mit Jammern.“ Zuvor hatte sich Landrat Stefan Frey (CSU) für mehr Stoff eingesetzt. Solche Begebenheiten kommen in Rosenheim nicht gut an.
Doch woher kommen überhaupt die begehrten Vakzine? Für die Belieferung der Impfzentren ist die Regierung von Oberbayern zuständig. Sprecher Wolfgang Rupp erklärt: „Die Verteilung der Impfstoffe von Biontech und Moderna auf die oberbayerischen Impfzentren erfolgt auf Grundlage des Bevölkerungsanteils. Von einer abweichenden Zuteilungspraxis zugunsten einzelner Impfzentren, die bei anderen Impfzentren entsprechende Abzüge nach sich ziehen würde, sehen wir angesichts der nach wie vor begrenzt zur Verfügung stehenden Impfstoffmengen derzeit ab.“ In den Impfzentren herrscht also Gleichstand.
Anders sieht es bei den Impfungen aus, die die niedergelassenen Ärzte vornehmen: Diese machen im Kreis Starnberg die Hälfte der Erstimpfungen aus (33 000), im Kreis Rosenheim waren es am Freitag nur 38 000 bei 2,4-facher Bevölkerung. Die niedergelassenen Ärzte werden dabei durch den pharmazeutischen Großhandel und Apotheken beliefert. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern erklärt: „Die Praxen bestellen bei ihrer angestammten Apotheke die Impfdosen. Wie viel insgesamt von welchem Hersteller bundesweit verfügbar ist, legt das Bundesgesundheitsministerium fest“, sagt Sprecher Axel Heise. Weshalb Starnberg beim Impfen in den Praxen voraus ist, dafür gibt es keine schlüssige Erklärung: Es kann zusammenhängen mit der Bevölkerungsstruktur oder mit einer überdurchschnittlichen Versorgung an Ärzten.
Der Präsident des Landkreistages, Christian Bernreiter (CSU) sagte zum Impf-Fortschritt: „Seit die Haus- und Fachärzte mitimpfen, gibt es starke Verschiebungen. Das führt zu großem Unmut.“ Er sieht Gebiete mit geringer Ärztedichte benachteiligt. Zum Fortschritt bei den Impfungen tragen aber auch Sonderaktionen wie in Starnberg, Ebersberg oder im Kreis Mühldorf bei.
In den kommenden Wochen wird sich die Anzahl der Erstimpfungen nicht signifikant ändern. Denn jetzt werden in den Impfzentren vorrangig verschobene Zweit-Impfungen gespritzt. Nur Ärzte verabreichen weiter Erstimpfungen. VON MARKUS CHRISTANDL