Die kleine Digitaloffensive

von Redaktion

VON NINA PRAUN

Schäftlarn – Jeden Freitagnachmittag treffen sich in Schäftlarn 30 Coaches mit 30 Schützlingen. Es geht dabei um Mathe, Deutsch oder Physik – denn die Kinder sind Schüler, die etwas mehr Hilfe brauchen, als ihnen die Schulen geben können. Und die „Coaches“, ältere Schüler oder auch Lehrer, geben ihnen diese Hilfe. Sie unterstützen bei Hausaufgaben oder Referaten, geben Nachhilfe und auch mal gute Ratschläge. Persönlich, meist in einer Eins-zu-eins-Betreuung, und vor allem: kostenlos.

Das ist die Idee hinter der Stiftung „Startchance“: Bedürftige Kinder bekommen kostenlos Förderung. Sie wurde 2014 am Starnberger See gegründet, nun gibt es sie an fünf Standorten in Oberbayern, betreut werden derzeit etwa 140 Kinder. „Das ist so ein schönes und wichtiges Projekt“, sagt Nicolas Krieger. Er war schon als Schüler für die Stiftung tätig, hat einen zwei Jahre jüngeren Schüler betreut. Mittlerweile ist der 21-Jährige Leiter des Standorts Schäftlarn (Kreis München).

Dort, im wohlhabenden Süden Münchens, bekommt er hautnah mit, wie viele Schüler aus ärmeren Familien einfach auf der Strecke bleiben. „Es gibt Kinder, die haben gar nichts, keinen Laptop, kein Tablet, kein Handy“, erzählt er. Ein großes Problem in der heutigen Zeit, da von Schülern erwartet wird, dass etwa mal ein Referat samt Powerpoint-Präsentation abgehalten wird oder online recherchiert werden soll. In der Pandemie verschlimmerte sich die Situation für diese Schüler noch einmal schlagartig: Ohne Computer und Internet gar kein Homeschooling. „Corona hat extrem verdeutlicht, dass es einen sehr starken Bedarf gibt“, erzählt Krieger. Er weiß etwa von einem Siebtklässler, der monatelang den Online-Unterricht mit dem Smartphone verfolgt hat und die Hausaufgaben im Zwei-Daumen-System in den winzigen Touchscreen tippen musste.

Bald wurde klar: Da muss sich was ändern, und zwar schnell und unbürokratisch. „Startchance“ hat also eine eigene kleine Digitaloffensive gestartet und seine Unterstützer darum gebeten, Geld für digitale Geräte zu spenden. Die Spender halfen spontan – und nun konnten bereits 50 Laptops und 24 Tablets gekauft werden.

Der Clou dabei: Die Geräte werden nicht an die Kinder verschenkt, sondern nur bei Bedarf ausgeliehen – der Siebtklässler durfte etwa einen Laptop für den Online-Unterricht zu Hause nutzen. Doch hauptsächlich werden die Geräte bei den Treffen jede Woche vor Ort genutzt. Denn so können die Coaches den Kindern beibringen, wie man mit den Geräten überhaupt umgeht. „Viele Kinder haben nicht nur einen Mangel an digitalen Geräten, sondern auch an digitalen Fähigkeiten“, erklärt Krieger. Oft können die Eltern den Kindern die Fragen dazu gar nicht beantworten, weil sie selbst nicht wissen, wie all das funktioniert. Etwa: Wie recherchiere ich vernünftig per Suchmaschine? Wie benutze ich die Office-Programme? Oder: Wie starte ich ein Videotelefonat? Alles Fragen, die die Coaches ihren Betreuten nun ganz entspannt live beantworten können.

Jetzt hofft Krieger nur noch darauf, dass die Corona-Einschränkungen bald fallen. Zwar durften die Startchance-Coaches ihre Schüler weiter treffen, mit Abstand und Maske. Doch ein wichtiger, zweiter Teil des Nachmittags ist seit Beginn der Pandemie gestrichen: das gemeinsame Spielen, Musizieren, Sporteln – und die Ausflüge. „Was den Kindern noch enorm fehlt, ist der soziale Austausch“, sagt Krieger. Und dagegen helfen leider auch die besten Online-Fähigkeiten nicht weiter.

Weitere Infos

zu der Stiftung gibt es unter startchance.org.

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