Augsburg – Die Fuggerei mit weit mehr als 200 000 Besuchern pro Jahr ist eine der größten Touristenattraktionen Augsburgs. Doch tatsächlich ist sie viel mehr – ein großes soziales Projekt, das auch nach 500 Jahren noch rund 150 bedürftigen Augsburgern ein Dach über dem Kopf bietet. Dieses Jahr wird das Jubiläum groß gefeiert.
Die Fuggerei gilt als die älteste Sozialsiedlung der Welt. Die Fugger gehörten einst zu den reichsten Kaufmannsfamilien Europas und hatten ein weltweites Handelsimperium aufgebaut. Ihr Erbe ist seit 1521 die Siedlung, eine Stadt in der Stadt mit 67 Häusern und 142 Wohnungen und sogar einer eigenen Kirche. Denn die Bewohner müssen sich bis heute zu „drei täglichen Gebeten“ verpflichten. Auch nach einem halben Jahrtausend sei die Fuggerei „einzigartig auf der Welt“, betont die Stiftung. Und das Thema preiswertes Wohnen ist heute aktueller denn je.
„Mit dem Geburtstag haben wir die alten 500 Jahre abgeschlossen und schauen in die Zukunft“, sagt der Administrator der Fuggerschen Stiftungen, Wolf-Dietrich Graf von Hundt. Es gehe nicht darum, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Die Stiftung will das Nachdenken über gesellschaftliche Herausforderungen anregen und die Frage stellen, ob es nicht an der Zeit wäre, ähnliche Projekte zu gründen. Zwar gibt es auch andernorts Initiativen, die die Schaffung von günstigen Wohnungen beabsichtigen. Doch einen ähnlich radikalen Ansatz wie die Fuggerei haben diese Projekte nicht. Denn in Augsburgs Sozialsiedlung leben die Bewohner für eine symbolische Jahresmiete von 88 Cent plus Betriebskosten. Ein vergleichbares Projekt gibt es nirgendwo – und das wollen die Verantwortlichen der Stiftung ändern.
Auch der Staat kommt seiner Aufgabe, ausreichend günstige Immobilien für nicht so gut Betuchte zu schaffen, längst nicht in ausreichendem Umfang nach. Sozialwohnungen gibt es viel zu wenige und oftmals werden sie von Menschen belegt, die schon lange nicht mehr bedürftig sind. Denn eine Pflicht, günstigen Wohnraum wieder frei zu machen, wenn das Einkommen steigt, gibt es nicht. So werden beispielsweise in München von den 45 000 Sozialwohnungen pro Jahr nur 3200 neu vermietet – bei zehn Mal so viel Interessenten. Es könne mehrere Jahre dauern, bis Bedürftige eine Sozialwohnung erhalten, informiert die Stadt die Betroffenen und empfiehlt, auch weiterhin auf dem freien Wohnungsmarkt zu suchen.
In der Fuggerei habe sich die Warteliste in den vergangenen zwei, drei Jahren verdoppelt, sagt Sprecherin Astrid Gabler. „Man merkt den Druck auf dem Immobilienmarkt ganz deutlich.“ Etwa 80 Bewerbungen gebe es, doch nur etwa zehn Wohnungen pro Jahr würden frei. „Die Leute leben teilweise 30 Jahre in der Siedlung“, erklärt Graf von Hundt. Im Durchschnitt ziehe ein Bewohner erst nach 14 Jahren wieder aus.
Wie solche Probleme gelöst werden können, wollen die Fuggerei-Verantwortlichen nun bei ihrem Festjahr diskutieren. Zunächst soll in wenigen Wochen ein neues Museum zur Geschichte der Fuggerei als Ergänzung der bisherigen Ausstellungen eröffnet werden, sofern es die Pandemiebeschränkungen erlauben. Im August ist dann ein Fuggereifest geplant – pünktlich zu dem eigentlichen Jubeltag: Am 23. August 1521 hatte Jakob Fugger den Stiftungsbrief für die Sozialsiedlung unterzeichnet. Als Ziel der Veranstaltungsreihe „Next 500“ geben die Fugger-Stiftungen aus, die Idee der Fuggerei global umzusetzen: „Das Jubiläumsprogramm soll zur Neugründung von ,Fuggereien der Zukunft‘ in der ganzen Welt anstiften.“