München/Josefstal – Die evangelische Kirche in Bayern hat sich für ihren kritiklosen Umgang mit dem „Pädophilie-Professor“ Helmut Kentler (1928–2008) entschuldigt. Es beschäme sie, wie Kentler die Offenheit der evangelischen Kirche gegenüber einer emanzipierten Haltung zu Sexualität genutzt und sie durch seinen Einsatz für Pädophilie pervertiert habe, schreibt die Kirchenleitung in einer Stellungnahme, die die Landeskirche gestern in München verbreitete. Sie sei „bestürzt, dass weder das Problembewusstsein noch die notwendige Sensibilität vorhanden waren, seinem kinderverachtenden Interesse entschieden zu widersprechen“.
Kentler war von 1962 bis 1965 pädagogischer Referent des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit in Josefstal bei Schliersee (Kreis Miesbach). Er setzte sich nicht nur für eine Enttabuisierung von Homosexualität und Sexualität ein, sondern war auch bestrebt, Pädosexualität zu legalisieren. Ende der 60er-Jahre kam es infolge des sogenannten Kentler-Experiments in Berlin zu staatlich legitimiertem schwerem sexuellen Missbrauch.
Der Landeskirchenrat und der Landessynodalausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) bedauerten den kritiklosen Umgang mit Kentler zutiefst. „Selbst als Kentlers Verteidigung der Pädophilie öffentlich kritisiert wurde, haben wir als evangelische Kirche versäumt, uns öffentlich von ihm und seiner Haltung zu distanzieren – wir haben es auch nicht getan, als 2010 im Rahmen einer Eingabe an die Landessynode die ausdrückliche Möglichkeit dazu bestanden hätte. Dafür bitten wir heute um Entschuldigung.“
Der Landeskirchenrat verurteile jede Form sexualisierter Gewalt. Betroffene könnten sich an die ELKB-Stelle für Opfer von sexualisierter Gewalt wenden. Auch der Vorstand des Studienzentrums Josefstal hat eine Erklärung zu Kentler veröffentlicht. „Kentler verstand es auf perfide Weise, die richtige Idee von der Rolle von Jugendarbeit zur Emanzipation von Kindern mit seiner Verteidigung der Pädophilie zu verbinden“, heißt es dort. Das Studienzentrum trete dieser Verknüpfung entgegen und sei bestürzt, dass es dafür einen Resonanzboden geboten habe. Die Landeskirche ruft zusammen mit dem Studienzentrum mögliche Betroffene von Kentler auf, sich zu melden. Man werde aktiv die Aufarbeitung unterstützen. epd/cm