CSU-Abgeordneter bei Auftritt bedroht

von Redaktion

Psychisch kranke Frau zielt mit Pistole auf Politiker

Sauerlach/Haar/Taufkirchen – Ein Schrei geht durchs Publikum. Der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn (47, CSU) steht auf und sagt: „Warum zielen Sie mit einer Waffe auf mich?“ Tatsächlich: Helga P. (53, Name geändert) hält eine Pistole in der Hand, richtet sie auf Hahn – dann ist auch schon die Polizei da und nimmt sie fest. Zwar ist die historische Waffe, die an einen Piratenfilm erinnert, gar nicht schussfähig, doch das ist von außen nicht zu erkennen. P. hat den Teilnehmern einer Podiumsdiskussion am 13. September 2017 in Taufkirchen einen ordentlichen Schrecken eingejagt. So zeigt es ein Video.

Immer wieder ist Helga P. aus Sauerlach in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Aktionen im Landkreis München aufgefallen. Die Staatsanwaltschaft spricht von Beleidigungen, Bedrohung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung. Seit September 2018 ist P. vorläufig in der Psychiatrie untergebracht. Die Diagnose: gegenwärtige hypomane schizoaffektive Störung. Das Landgericht München I muss nun entscheiden, ob die 53-Jährige, die als Beruf Wellness-Trainerin angibt, auf unbestimmte Zeit in der Psychiatrie bleiben muss.

Helga P. kommt an Handschellen in den Gerichtssaal. Sie hat lange, braun-graue Haare, trägt eine Jeans und ein Kapuzen-Sweatshirt der Sex Pistols mit dem Konterfei der Queen. Sie erklärt, dass sie nur auf das Unrecht aufmerksam machen wolle, das ihrem Bruder widerfahren sei. Er sitze unschuldig „im Psychoknast“ in Straubing. „Frau P. hat ein Anliegen“, sagt ihr Verteidiger David Schneider-Addae-Mensah.

Dieses Anliegen trug sie seit 2016 auch immer wieder beim Bundestagsabgeordneten Hahn vor, der für ihre Heimatgemeinde zuständig ist – telefonisch, per Mail, im Bürgerbüro in Unterhaching, bei Veranstaltungen. Hahn habe sich ihren Fall angeschaut, aber er habe nichts für sie tun können. „Sie wollte nicht einsehen, dass das nicht mein Bereich ist“, sagt Hahn als Zeuge vor dem Landgericht. „Ich bin Legislative und nicht Judikative.“

Deshalb habe Helga P. ihn und Mitarbeiter immer öfter lautstark beschimpft, habe sein Büro nicht mehr verlassen und Verweise ignoriert. „Immer häufiger“ habe man die Polizei rufen müssen. Die Mitarbeiter in seinem Büro hätten sich bedroht gefühlt. Dieses sei seitdem verschlossen, „was natürlich ungut ist für ein Bürgerbüro“. Sogar nach Berlin fuhr P. „Sie wollte in den Reichstag eindringen, beschimpfte die Politiker im Allgemeinen und mich namentlich“, erzählt Hahn. „Sie ist der Meinung, dass die Politiker für eine Folterung ihres Bruders verantwortlich sind.“

Der Vorsitzende Richter verliest das Polizeiprotokoll. Dort hatte Hahn gesagt, dass bekannt sei, dass Helga P. „verrückt“ sei. Das macht P. auf der Anklagebank sauer. „Wer erzählt rum, dass ich verrückt bin?“, fragt sie. „Woher wissen Sie, dass Frau P. verrückt ist? Sind Sie Psychiater?“, fragt ihr Verteidiger. Hahn verneint. Dann dürfe er das auch nicht sagen, betont der Verteidiger. „Wenn er gewusst hätte, dass ihm das hier vorgehalten wird, hätte er sich bestimmt anders ausgedrückt“, sagt der Vorsitzende.

Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift noch zwei weitere Fälle aufgelistet. So weigerte sich Helga P. am 12. Juli 2017, das Isar-Amper-Klinikum in Haar nach ihrer Entlassung zu verlassen. Der Grund: Sie wollte erst ihre persönlichen Gegenstände haben, ein Samurai-Schwert und ihren Führerschein. Laut Mitarbeiter befanden sich diese aber nicht in der Klinik. Als die Polizei kam, eskalierte die Situation: P. beschimpfte die Beamten als „Arschlöcher“ und „Vollidioten“, wollte zu Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gebracht werden, riss das Kennzeichen von einem Polizeiauto ab und trat einen Polizisten.

Am 11. September 2017 randalierte sie in einem Seniorenzentrum in Sauerlach. Dort weigerte sie sich zum wiederholten Male, zu gehen, solange sie nicht Laptop und Ladekabel von einem Bewohner zurückbekomme. Der Mann allerdings war längst nicht mehr ansprechbar und hatte die Gegenstände nicht auf seinem Zimmer. „Aber sie wollte immer diesen Laptop mit weltbewegenden Dingen, die die Welt retten sollen“, sagt der damalige Pflegedienstleiter. Mehrmals habe P. versucht, ihn zu schlagen. „Aber sie traf nicht.“

Der Prozess dauert an.

NINA GUT

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