Kreativ durch die Krise

von Redaktion

VON C. SCHRAMM, I. GÜTTEL UND M. KADACH

Holzkirchen – Sie brauen Krisen-Bier oder lassen Bier-Brot backen: Die Pandemie trifft auch Brauereien in Bayern hart. Vor allem kleinere Betriebe mussten kreativ werden, nachdem die Gastronomie monatelang geschlossen war und alle Volksfeste abgesagt wurden. Vor allem das Fassbier steckt wegen Corona in der Krise. „Im November mussten die Wirtschaften schließen“, sagt Wolfgang Sappl von Sappl Bräu in Holzkirchen (Kreis Miesbach). Im Herbst stellte seine Zwei-Mann-Brauerei daher die Fassbierproduktion ein. Eine Zeit lang lagerten die Fässer ein: „In der Hoffnung, die Lokale könnten bald wieder öffnen.“ Die Wirte als deren Hauptabnehmer wollte Sappl nicht sitzen lassen.

Aber dann nahm der Lockdown kein Ende. Im April stand Sappl vor dem Dilemma: „Das Bier ist zwar im Fass gut neun Monate haltbar. Aber je länger es lagert, desto mehr verändert sich der Geschmack.“ Irgendwann wird es schlecht. Alles wegzuschütten – für ihn keine Option. Da gehe es nicht nur ums Geld. Auch um Leidenschaft und das Handwerk.

So kam ihm die Idee: Bierbrot. Ganz neu war sie nicht. Schon zur Fastenzeit 2020 hatte Sappl mit der ortsansässigen Bäckerei Ratschiller’s zusammengearbeitet. Das Brot aus Sappls Bier war damals beliebt, daher wurde man sich schnell einig. Rund 800 Liter Fassbier lieferte Sappl. Das Brot mit leicht malzig-hopfigen Aromen kam auch dieses Mal gut an.

Der Anteil an Gastronomiekunden sei bei Sappl Bräu gering, daher könne seine kleine Brauerei die Ausfälle gut wegstecken. „Wir sind auf das Flaschenbier spezialisiert“, sagt Sappl. Mit diversen Aktionen machte er in den sozialen Medien aber immer wieder auf sein Bier aufmerksam. Zu Ostern etwa versteckte er in Holzkirchen sechs Bier-Körbchen – und rief virtuell zur Suche auf.

Victoria Schubert von der Brauerei Karg in Murnau (Kreis Garmisch-Partenkirchen) musste rund 200 Fässer und jetzt im Nachgang nochmal zwei Flaschenpaletten Bier vernichten. Trotzdem: Viele Betriebe habe es viel schlimmer getroffen. „Wir sind dank unserer treuen Kundschaft gut durch die Krise gekommen“, erklärt die 38-Jährige. Die habe schließlich weiterhin fleißig das Bier der kleinen Familienbrauerei in den regionalen Getränkemärkten und im hauseigenen Bierladen gekauft.

So waren die finanziellen Einbußen durch die geschlossenen Wirtschaften verkraftbar – auch, wenn es dabei ja nicht nur um Ausfälle durch Fassbier, sondern auch Limonaden und andere Getränke gehe. „Wir haben alle zusammengehalten und den Kopf nicht in den Sand gesteckt“, sagt Schubert. „Unsere Angestellten haben in der Zeit, in der wenig zu tun war, Urlaub abgebaut.“ Jetzt, da die Biergärten wieder öffnen, kann Schubert eines aber nicht leugnen: „Da freut sich natürlich unser Brauerherz.“

Die Öffnungen sind ein wichtiger Schritt. Vielen Brauereien hilft das allein aber nach Angaben des Verbandes der Privaten Brauereien Deutschland nicht aus der Misere. Ein Beispiel ist die Nürnberger Brauerei Schanzenbräu, die normalerweise von Ende Mai bis September jedes Wochenende ein andres Volksfest mit Fassbier beliefert. „Im vergangenen Jahr ist die Saison komplett ausgefallen und dieses Jahr sieht es nicht besser aus“, sagt Geschäftsführer Stefan Stretz.

Die 30 Prozent an Umsatzeinbußen versuchte er durch mehr Flaschenbier im Handel wettzumachen. Das Problem: „Das ist purer Verdrängungswettbewerb.“ So kam der Braumeister auf eine Idee: die „Zusammen Halbe“. Das Krisenbier braute und verkaufte er gemeinsam mit acht Nürnberger Brauereien.

Ein Krisenbier im wahrsten Sinne des Wortes verkauft auch die Münchner Craftbier-Brauerei „Munich Brew Mafia“. Dank des neuen Bieres „Impfstoff“ läuft es sogar besser als vor der Krise. Nur 2000 Liter umfasste die erste Abfüllung und war innerhalb von sechs Stunden ausverkauft. Die fünfte ist grade auf den Markt gekommen. „Wir konnten als Drei-Mann-Unternehmen natürlich flexibel auf die Krise reagieren“, erklärt Geschäftsführer Dario Stieren. Die schwierige Zeit überbrückten die Gründer zunächst mit anderen Jobs. Jetzt rechnet sich die Kreativität in der Krise aber.

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