München – Nur wenige Wochen nach dem Start der Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising gibt es Ärger im Betroffenenbeirat. Die einzige Frau im Beirat hat ihren Rücktritt aus dem fünfköpfigen Gremium erklärt. „Ich bin als Frau in dieser Position aufgelaufen“, sagte Agnes Wich. Das Erzbistum von Kardinal Reinhard Marx bestätigte den Rücktritt, wollte sich dazu aber nicht weiter äußern. Der Betroffenenbeirat sei ein eigenständiges Gremium.
Wich, die als neunjähriges Mädchen von einem Priester missbraucht worden war, hatte nach eigenen Angaben vor allem ein Problem damit, dass der Betroffenenbeirat ausgerechnet einen Priester, der selbst Opfer sexuellen Missbrauchs wurde, in die Aufarbeitungskommission entsandt habe. „Das gibt garantiert einen Loyalitätskonflikt mit dem Arbeitgeber Kirche“, sagte Wich. „Das sind Dinge, die gehen einfach nicht.“Auch dass sie als einzige Frau aus dem Beirat nicht als Vertreterin für die Belange weiblicher Betroffener in die Kommission gesandt wurde, störte Wich. „Frauen als Missbrauchsopfer haben es in der Kirche oftmals noch schwerer, Gehör zu finden. Solchen Fällen haftet häufig ein gewisser Verführungscharakter an“, sagte sie.
Nach Bistumsangaben hatte es sieben Bewerber für die Mitarbeit im Beirat gegeben, darunter eine Frau. Für viele Bistümer war es schwer, Betroffene zu finden, die bereit sind, mit der Organisation zusammenarbeiten, der die Menschen angehören, die sich an ihnen vergingen. Vielfach verzögerte sich darum der Start der Aufarbeitungskommissionen, der in den meisten bayerischen Bistümern eigentlich für den Beginn dieses Jahres geplant war. Wich kritisierte, dass das Erzbistum München sich nicht genügend Zeit genommen habe, geeignete Kandidaten für den Beirat zu finden. „Mehr Zeit, mehr Medienarbeit, mehr ehrliches Interesse“ für die Opfer sexuellen Missbrauchs hätte es ihrer Ansicht nach vonseiten des Erzbistums geben müssen. „Es geht um die Außenwirkung, mehr nicht“, sagte Wich. „Da werden Betroffene instrumentalisiert.“
Viel Hoffnung, dass der Beirat eine „würdige Vertretung“ der Betroffenen im Münchner Erzbistum sein kann, habe sie nicht. Zum Rücktrittsgesuch von Erzbischof Marx äußerte sie sich zurückhaltend: „Möglicherweise beginnt er nun wirklich, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen – sollten das seine tatsächlichen Beweggründe sein“, sagte sie. Es sei zu viel geschehen in der Vergangenheit, was der ehrlichen Aufarbeitung bedürfe. Aber: „Endlich kommt Bewegung in dieses erstarrte Bistum.“ lby