Lufthansa will mit Urlaubsreisen aus der Krise

von Redaktion

Münchner Standort-Chef Kreuzpaintner: Nachfrage nach Mallorca und Ibiza stärker als 2019

Seit einem halben Jahr ist Stefan Kreuzpaintner Chef der Lufthansa am Standort München. Er leitet von hier aus auch den weltweiten Vertrieb für die gesamte Lufthansa Gruppe. Er kam mitten in der größten Krise der Luftfahrt. Der 47-Jährige ist in München geboren und ging in Harlaching aufs Gymnasium. Bei der Lufthansa ist er seit 2003, wo er nach einem Studium „internationales Management“ (Maastricht/St. Gallen) an Bord ging.

Herr Kreuzpaintner, wie steht Lufthansa nach den ersten Lockerungen da?

In den Pfingstferien hat die Nachfrage nach Reisen in die Urlaubsgebiete sehr stark zugenommen, vor allem auf die Balearen. Nach Mallorca und Ibiza lagen die Buchungen sogar über dem Level von 2019. Aufgrund der hohen Nachfrage zu den bayerischen Sommerferien vergrößern wir bereits unsere Kapazität. Nach Mallorca setzen wir zum bayerischen Ferienstart am 31. Juli einmalig sogar ein Langstreckenflugzeug vom Typ Airbus A350 von München ein. Wir steuern von München aus zwölf griechische Ziele an, so viele wie noch nie.

Ist das ein Nachholeffekt?

Absolut, die Leute wollen in den Urlaub, Familie und Freunde treffen. Bei Zielen, die man wieder geimpft, genesen oder getestet ansteuern darf, hat die Nachfrage in den vergangenen Wochen um fast 200 Prozent zugenommen. Die Privatreisen ziehen dabei aktuell deutlich stärker an als die Geschäftsreisen. Aber wir sehen auch, dass viele Firmen wieder buchen. Leider gibt es vielfach noch starke Restriktionen, insbesondere auf der Langstrecke.

Inwiefern?

In den meisten asiatischen Märkten sehen wir noch starke Reise-Restriktionen und starre Quarantäne-Regelungen, die ein Reisen nahezu unmöglich machen. Da hoffen wir natürlich, dass zeitnah weitere Lockerungen möglich sind. Insbesondere auch für Reisen aus Deutschland und Europa nach Amerika.

Dennoch nehmen Sie zahlreiche Nordamerika-Verbindungen wieder auf.

In der Tat, im August fliegen wir 13 Ziele in Nordamerika und Asien an. Darunter sind neu ein zweiter New-York-Flug sowie Flüge nach Boston, Charlotte und Vancouver.

Wie viele Flugzeuge haben Sie zurzeit in München?

Wir haben knapp über 100 Kurz- und um die 30 Langstreckenflugzeuge. Daran hat sich nichts geändert, aber natürlich sind noch zahlreiche Flugzeuge geparkt. In München ist unter anderem die gesamte A350-Flotte stationiert, 17 Maschinen. Diese fliegen auch bereits alle wieder. Wir setzen sie wegen der aktuell noch reduzierten Nachfrage auch in Frankfurt ein. Mittelfristig ist geplant, dass sie alle wieder ab München in die Welt fliegen.

Bleibt es bei der Aufstockung der A350-Flotte?

Wir haben gerade erst fünf weitere Maschinen bei Airbus bestellt. 17 A350 sind bereits im Einsatz. Im Juli 2023 erhalten wir die 18. A350, dann zum ersten Mal mit einer First Class. Insgesamt wird die A350-Flotte aus 45 Flugzeugen bestehen.

Was wird aus dem doppelstöckigen A380?

Die verbleibenden acht A380 befinden sich im Deep Storage. Bei sehr starker Nachfrage könnten sie theoretisch noch einmal reaktiviert werden. Aktuell sicher nicht.

Mit wie vielen Buchungen rechnen Sie heuer?

Im Juli rechnen wir in der Lufthansa Group mit 45 Prozent der Passagiere im Vergleich zu Vor-Corona in 2019, Ende des Jahres können es bis zu 70 Prozent im Monat sein. Das Vorjahr lag deutlich darunter.

Wann haben Sie das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht?

Aktuell gehen wir davon aus, dass sich die Luftfahrt bis Mitte der 2020er-Jahre erholen wird. Auch wenn bei den Geschäftsreisen ein Teil nicht mehr zurückkommen wird, wird es auch hier einen Nachholeffekt geben. Künftig setzen wir einen großen Schwerpunkt auf Urlaubsreisen. Daher werden wir die Economy-Klasse aufwerten – und auf Europaflügen qualitativ sehr hochwertige Mahlzeiten und Getränke anbieten, vom Preis her wie im Geschäft.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie verloren?

Alle Lufthansa-Gesellschaften beschäftigten vor Corona etwa 140 000 Mitarbeiter, davon 11 000 in München. Aktuell sind es 110 000. Ziel ist es, künftig mehr als 100 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord zu halten. Zwischenzeitlich hatten wir bis zu 80 Prozent der Belegschaft Kurzarbeit, viele sind es bis heute.

Trotz Krise wollen Sie den Terminal-2-Satelliten mit der FMG immer noch erweitern?

München wird eine zentrale Drehscheibe bleiben. Wir sehen weiterhin Wachstumspotenziale, auch wenn sich das zeitlich natürlich nach hinten verschieben wird.

Was sagen Sie zur Debatte, Inlandsflüge zu verbieten?

Zwei Drittel der Passagiere auf Inlandsflügen sind Umsteiger. Sie nutzen den innerdeutschen Flug als Zubringerflug, um über Frankfurt oder München in die Welt zu reisen. Inlandsflüge haben wir immer dort aufgegeben, wo die Bahnverbindungen wettbewerbsfähig sind. So gibt es bereits eine erfolgreiche Kooperation mit der Bahn: Wir werden in diesem Jahr 22 deutsche Städte über die Schiene mit dem Frankfurter Flughafen verbinden. München hat allerdings den strukturellen Nachteil des fehlenden Fernbahnanschlusses und einen nicht wettbewerbsfähigen Regionalbahnanschluss. Das wird zum Standortnachteil und muss sich schnellstmöglich ändern.

Wann sind Sie das letzte Mal geflogen?

Das war Pfingsten – für ein paar Tage privat nach Valencia in Spanien. In der Pandemie bin ich 50 Prozent weniger geflogen, fast nur zwischen München und Frankfurt.

Interview: H. Moritz/D. Walter

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