SO SCHAUT’S AUS!

Verbrennt’s euch nicht!

von Redaktion

VON MANFRED SCHAUER, DEM SCHICHTL VON DER WIESN

So wie’s ausschaut, schaut’s ganz gut aus, jedenfalls zeichnen sich positive Tendenzen ab. Der frühe Sommer erinnert sich an seine Pflicht und lässt Balkontüren, Cabrios und Eisdielen öffnen, die Sonne scheinen und Ventilatoren durch die Büros strömen.

Nicht nur die allgemeine Laune scheint sich zu erhellen, auch der in acht Monaten verblasste Mensch geht wieder raus, um sich hinzulegen. Oder zu lümmeln, flacken, gammeln, kauern, fläzen, jedenfalls hat es letzte Woche so ausgeschaut, als hätte eine Käserei ihre Auslage ins bayrische Gras verlegt.

Dabei ist die ästhetische „Blässe“ ja eigentlich der ehedem feinen Gesellschaft vorbehalten. Mit Blick aufs entblößte Laufwerk fällt einem gerade noch ein, dass die Spargelzeit auch bald vorüber ist. Das Arbeiter-Volk, vulgo die Proleten, die waren auf Grund ihrer Bräune recht schnell als solche zu identifizieren. Und heute schaut’s genau umgekehrt aus, Werktätige und Untätige haben Teint und Farbe getauscht.

Recht interessant könnt es werden, wenn der Wegfall der öffentlichen Maskenpflicht zweifarbige Visagen zum Vorschein bringt. Nach der Leo-Klamotten-Mode vielleicht das Panda-Design im Gesicht. Interessant wär’s schon, so fürs Passbild zum Beispiel, i moan ja bloß.

Und wie wir so zunehmend be- und verstrahlt werden, ist man den österlichen Mallorca-Urlaubern auch nicht mehr gram, gibt man sich doch mittlerweile der eigenen Tönung hin. Ein beschuhter Spaziergang am und im Grünen mag einen schon zum Staunen und Wundern bringen. Zu sehen gibt’s viel Fleisch in diversen Facetten, von nicht schüchternen Silikon-Amazonen bis zu Gourmets, von denen der eine oder andere die erlernte Mengenlehre am eigenen Körper auslebt, hoch aktuell auch Corona-Beule genannt.

In der Farbgebung sind Varianten sichtbar, von noch viel weiß bis rosa- oder knall-rot. Nicht wenige sind schon eher blau als braun und hinterlassen auch schon gern mal den Grund dafür. Weil man halt gerne gesehen wird, legt man sich recht dekorativ ins Gras. Hedonistinnen und Hedonisten, die richtig abgehangen und durch sind, finden sich aber erst so ab Mitte Juli. Viele sind diesjährig nicht im Solarium vorgegrillt, aber es handelt sich um körperbewusste Exemplare in jeder Gewichtsklasse, tendenziell eher untergewichtig. Der Sepp sagt, wenn man so jemanden mit Blitzlicht fotografiert, gibt das eine Röntgenaufnahme. Aufgrund der weltberühmten Liberalität Münchens sind auch die Nackerten nicht mehr hinter den Strohzaun vom Maria Einsiedel verbannt. (Wir waren 13, 14 Jahre alt und dieser Strohzaun war das Hindernis schlechthin am pubertären Informationsdrang.) Lurende Gestalten hie und da im Gebüsch, wohl kaum Ornithologen auf der Lauer nach seltenen Vogelarten.

Noch in den 1970er-Jahren haben sich gut betuchte Nudisten zur nahtlosen Bräune extra nach Sylt begeben. Das braucht’s heute nur noch zwecks dem Prestige, der Freistaat macht seinem Namen auch in textiler Hinsicht alle Ehre. Der Vorteil zum Vorteil aller: Hinschauen braucht niemand, wegschauen auch nicht und außerdem in drei Monaten gibt’s eh kaum mehr was zum Hin-, Weg- oder Anschauen. Da haben dann die Baumärkte schon wieder die Weihnachtsstollen im Angebot.

Habe die Ehre, Manfred Schauer

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