Ludwig Thoma

Die Widersprüche aushalten

von Redaktion

DIRK WALTER

Dass Ludwig Thoma Antisemit und ein Gegner der Weimarer Republik war, ist nun wirklich keine Neuigkeit, sondern schon seit 1921 bekannt. Der im vergangenen Jahr verstorbene Historiker Wilhelm Volkert, der Thomas Artikel im „Miesbacher Anzeiger“ akribisch dokumentiert hat, nannte ihn ein „Sprachrohr rüdesten Antisemitismus und geschworenen Feind der Demokratie“. Über die Wandlungen dieses Autors ist viel spekuliert worden. Thoma war in der Kaiserzeit ein gefeierter, liberal-kritischer Starautor im „Simplicissimus“. Beim Lesen seiner „Heiligen Nacht“ überkommen Zuhörer rührende Gefühle. Seine Volksstücke sind unvergessen und auch beim heutigen Lesen oft saukomisch. So jemand hetzte gegen den später ermordeten Reichsaußenminister Rathenau („Moses Rathenauer“), schrieb am 21. Februar 1921 (willkürliches Beispiel): „Wir sind jederzeit bereit, frechen Galiziern das Fell zu verhauen.“

War es der Magenkrebs, der den Thoma am Ende seines kurzen Lebens bitterbös machte? Das wäre zu kurz gedacht. Der Sturz der Monarchie, die Kriegsniederlage und die kurze Phase der Münchner Räterepubliken hat diesen stets um Anerkennung durch die Autoritäten flehenden Autor tief verstört. Franz Maget hat Recht: Thoma wird man in seinen Widersprüchen und Wandlungen aushalten müssen – und das macht ihn bis heute interessant. Straßen muss man deswegen nicht umbenennen; dass heute noch Straßen neu nach Ludwig Thoma benannt werden, wird aber auch niemandem einfallen. Sinnvoller wäre es, auch einmal die Opfer von Thomas Hetze zu würdigen – das ist eine lange Liste an heute vergessenen aufrechten Demokraten und Republikanern.

Dirk.Walter@ovb.net

Artikel 7 von 11