Der Hagelzug zerrupft die Ernte

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER

München – Nachdem die letzten Hagelkörner gefallen waren, eilte Max Reis am vergangenen Dienstag sofort hinaus zu seinen Feldern. Als er die Spuren sah, die das Unwetter in Kirchseeon und der Umgebung im Landkreis Ebersberg hinterlassen hatte, konnte er nicht viel mehr, als in Gedanken ausgiebig zu fluchen. Zwei Drittel seines Getreidebestands hat der Hagel geplättet. Und auch seine Grünflächen hat es heftig erwischt. In den vergangenen Tagen waren er und seine Bauernkollegen aus der Region nur damit beschäftigt, die brauchbaren Reste für die Silage zu sichern. „Wir haben zusammengekratzt, was wir erwischt haben, bevor es anfängt, auf den Feldern zu faulen“, sagt der Landwirt.

So wie ihm ging es in den vergangenen Tagen einigen Landwirten in Bayern. „Die Unwetter waren zwar lokal begrenzt, aber dann sehr massiv“, sagt Anton Huber vom Bayerischen Bauernverband. In Oberfranken seien einzelne Rapsbestände zu bis zu 80 Prozent zerstört worden. Auch die Kirschbäume hat es dort heftig erwischt. Auch in Mittelfranken und Niederbayern gibt es Regionen, in denen die Unwetter mit Starkregen und schneeballgroßen Hagelkörnern heftige Spuren auf den Feldern hinterlassen haben. Und eine Hagelschneise führte quer durch Oberbayern, besonders über Wolfratshausen hinweg durch die Landkreise München und Ebersberg bis in den Kreis Rosenheim.

Dort, in Albaching, 30 Kilometer von Max Reis’ Hof entfernt, hat August Seidinger junior ebenfalls die Wucht des Hagels zu spüren bekommen. „So etwas hat es bei uns zuletzt vor 25 Jahren gegeben“, sagt der Milchbauer. Die Hagelkörner hätten Getreide und Mais einfach abrasiert. Auch die Wintergerste ist dahin – zwei Wochen vor der geplanten Ernte. „In einer halben Stunde ist die Arbeit eines ganzen Jahres weg.“ Weil es lange keine so heftigen Unwetter mehr gab, seien in der Region geschätzt auch nur die Hälfte der Landwirte gegen die Schäden versichert, sagt Seidinger. Auf den verhagelten Flächen hat er nun umgeackert und Kleegras angesät sowie eine Maissorte, die zwar weniger Ertrag bringt, aber schneller reift. „Wir hoffen, dass das bis zum Herbst noch was wird, damit wir genug Futter für unsere Kühe zusammenbringen.“ Denn sonst bleibt ihm wie auch Max Reis nur, Futter zuzukaufen. „Aber nachdem der Hagelzug so groß war, wird es da heuer viel Nachfrage und wenig Angebot geben.“

Die Arbeit der vergangenen Monate hat der Hagel auch bei Oda Jacobs und Tobi Kurczyk aus Münsing (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) zerstört. Die beiden waren eigentlich kurz davor, mit ihrer eigenen Gärtnerei die ersten Gemüsekisten zu verkaufen. Doch dann durchlöcherten tennisballgroße Hagelkörner ihre Salatpflanzen oder die Folie ihres Gewächshauses. Der Frust ist groß bei den beiden, sie setzen ihre Hoffnung nun voll und ganz auf die Tomatenernte.

In Bayerns Wäldern hingegen sind größere Schäden offenbar ausgeblieben. Bei den Staatsforsten heißt es, dass nur vereinzelt Bäume entwurzelt wurden oder gebrochen sind und stellenweise Forstwege blockiert seien. Auch beim Bayerischen Waldbesitzerverband sind bislang keine größeren Schadensmeldungen aufgeschlagen. „Für uns hatten die Unwetter sogar etwas Gutes“, sagt Geschäftsführer Hans Ludwig Körner. „Der viele Regen war wichtig.“

Für Bio-Bauer Max Reis heißt es nun, neu ansäen statt ernten. Zwar hat er einen Teil seiner Flächen versichert. Aber die Schadensregulierung hält er für so umständlich, dass er schon überlegt, in Zukunft lieber selbst Geld auf die Seite zu legen und das mit der Versicherung sein zu lassen. Die nächsten Unwetter sind jedenfalls schon angesagt. Und wenn Reis eins gelernt hat in den vergangenen Jahrzehnten, dann das: „Sicher ist man nie.“

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