München – Sechs Hektar ist das Maisfeld von Michael Schanderl groß. 18 000 Euro Ertrag erhoffte sich der Landwirt von seinem Feld in Emmering (Kreis Fürstenfeldbruck). Dann kamen die Vögel – und fraßen den Ertrag zusammen. Wenn der Landwirt auf seinem Feld steht und den Blick über die Reihen schweifen lässt, wo der Mais wachsen sollte, könnte er verzweifeln. „Ich muss dabei zuschauen, wie die Vögel durch das Feld spazieren und die Körner aus dem Boden picken. Da blutet einem das Herz“, sagt Schanderl. „Der Schaden ist immens.“ Über 100 Vögel machten sich über seinen frisch gesäten Mais her. Ein Kassensturz steht noch aus. „Aber ungefähr ein Drittel haben sie sich geholt“, sagt der Maisbauer. Mindestens 5000 Euro Verlust gehen auf die Kappe des gefräßigen Federviehs, sagt Schanderl. Einen Ausgleich kriegt er nicht. „Ich kann mein Feld gegen vieles versichern. Aber nicht gegen Vogelfraß.“
So wie ihm geht es vielen Landwirten. Der Bayerische Bauernverband befasst sich seit 15 Jahren mit dem Problem-Vogel. Beide Krähenarten – Raben- und die geschützten Saatkrähen – verursachen zum Teil erhebliche Schäden in der Landwirtschaft. Wie hoch die Ausfälle pro Jahr sind, erfasst der Verband nicht. Aber: „Immer wieder kommt ein Totalausfall vor“, sagt Jagdreferent Johann Koch. Und das Problem nimmt zu. Das Saatgut darf nämlich nicht mehr gebeizt werden, um Vögel zu vergrämen. Die Ernte ist den Tieren ausgeliefert.
„Krähen sind intelligente Vögel“, erklärt Sophia Engel. „Man kann vergleichsweise wenig gegen sie machen“, sagt die Ornithologin des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Billige Tricks durchschauen die Tiere schnell. Landwirt Schanderl sah nur noch eine Möglichkeit, seine Ernte zu retten: Der Ex-Bürgermeister stellte einen Knall-Apparat zwischen den Pflanzen auf. Alle 45 Minuten donnerte ein Schreckschuss über das Feld – von 5.30 bis 21 Uhr. Die Anlage hat er inzwischen abgebaut, weil der Mais robust genug ist.
Nicht nur Landwirte klagen über zunehmende Schäden. „Wir beobachten eine Landflucht bei den Tieren“, sagt Engel. Durch die Monotonisierung der Nutzflächen und fehlende Hecken oder Gehölze fehlt Lebensraum. „Der Stadtrand wird für die Tiere attraktiver.“
Das nervt die Anwohner. Auf dem Friedhof in Unterhaching (Kreis München) beispielsweise kommen Besucher selbst bei Sonnenschein nur mit Regenschirm, um sich vor den auf Bäumen sitzenden Tieren und deren hinabregnenden Exkrementen zu schützen. Die Gemeinde lässt sogar Grabsteine folieren und organisiert Sonderreinigungen, um das Kot-Problem in Grenzen zu halten.
Einen Schritt weiter möchte die Stadt Dorfen (Kreis Erding) gehen. Der Umweltausschuss plant ein Maßnahmenpaket, um die Plagegeister loszuwerden. „Wenn wir das Problem in den Griff bekommen möchten, müssen wir Maßnahmen ergreifen, die in den Bestand greifen“, sagt Umweltreferent Walter Zwirglmaier. Die Rabenkrähe darf außerhalb der Schonzeit von Mitte Mai bis Mitte Juli bejagt werden. Bei der Saatkrähe verhindert der Naturschutz den Abschuss – obwohl die Tiere bereits im Jahr 2003 von der Roten Liste bedrohter Arten in Bayern gestrichen wurden.
Dorfen möchte als Musterkommune im Umgang mit Krähen dienen. Dafür braucht es die Genehmigung der Regierung. Zwirglmaier ist nicht besonders zuversichtlich, dass die erfolgt. „Es geht darum, Druck zu machen und ein politisches Zeichen zu setzen“, erklärt der Umweltreferent. Gar nichts zu tun sei keine Option. „Die Situation wird von selbst nicht besser. Die Krähen werden immer mehr.“ Diese Wahrnehmung deckt sich nicht mit der Einschätzung der LBV-Ornithologin Engel. „Einen sprunghaften Anstieg der Population kann ich ausschließen“, sagt sie. Allerdings treten die Krähen oft in großen Schwärmen auf: „Es sind sehr soziale Tiere.“ Junggesellen-Vögel schließen sich zusammen, um Futter zu finden. Die Schäden in den Gebieten, wo sich die Vögel hundertfach niederlassen, fallen deshalb heftiger aus.