München – In Reit im Winkl gibt es genau eine große Firma. 180 Angestellte sind dort beschäftigt. Sonst gibt es keine nennenswerten Gewerbesteuerzahler in der Gemeinde im Kreis Traunstein, die nicht im Tourismus arbeiten. Das Alpendorf wird von einer einzigen Lebensader ernährt. „Alles hängt am Tourismus“, sagt Bürgermeister Matthias Schlechter. „Wir sind völlig monothematisch aufgestellt.“ Auf 2300 Einwohner kommen in dem Alpendorf 4500 Gästebetten – zu Spitzenzeiten schlafen also doppelt so viele Gäste wie Einheimische in der Chiemgau-Gemeinde, die direkt an der vielbereisten Deutschen Alpenstraße liegt.
In den vergangenen Monaten war das anders. Ohne Übernachtungsgäste blieben wichtige Einnahmen in der Stadtkasse aus. „Allein bei der Kurtaxe fehlen um die 400 000 Euro“, sagt Schlechter, vielleicht sogar eine halbe Million. Wie viel Gewerbesteuer die Hotel-Betriebe für das laufende Geschäftsjahr zahlen werden, hängt vom Sommer-Geschäft ab. „Wir können den Schaden noch nicht beziffern. Aber Corona wird sich extrem auswirken.“ Und das wird die Gemeinde auch noch in den kommenden Jahren beschäftigen. „Die Auswüchse sind dramatisch“, sagt Schlechter. „Wir schieben alle Ausgaben, die nicht Priorität eins oder zwei haben“, sagt der Rathauschef. Straßenerschließungen zum Beispiel. „An große Projekte ist im Moment nicht zu denken“, erklärt Schlechter. „Wir haben keine, aber wir leben die Haushaltssperre.“
Das gilt wegen Corona für viele Gemeinden in Bayern, für die Touristen-Hochburgen aber ganz besonders. Die Kehrmaschine der Gemeinde Krün (Kreis Garmisch-Partenkirchen) bleibt in der Garage. Schlaglöcher klaffen weiterhin. Vereine bangen um ihre Zuschüsse. All das, weil Geld aus dem Tourismus fehlt. „Wir waren verwöhnt“, sagt Bürgermeister Thomas Schwarzenberger, „jetzt sind wir gebeutelt.“ Die Konsequenz heißt Haushaltssperre. Der Gemeinderat hat sie erlassen. Heißt: Jede Ausgabe kommt auf den Prüfstand, viele werden gestrichen. 2019 wäre eine solche Situation in Krün noch undenkbar gewesen. Der Tourismus florierte vor Corona – und die Gemeinde profitierte davon.
Im Tegernseer Tal fiel die Jahresstatistik ebenfalls düster aus. Fast ein Viertel weniger Übernachtungsgäste besuchten die Gegend. Und das, obwohl bis März normaler Betrieb herrschte und der Sommer so viele Touristen lockte wie kaum einer zuvor. „Viele Menschen sind im Sommer gekommen, weil Auslandsreisen schwierig oder unmöglich waren“, sagt Thomas Baumgartner, Sprecher von Tegernseer Tal Tourismus. „Wir sind dadurch eigentlich mit einem dicken blauen Auge davon gekommen.“ Unterm Strich steht trotzdem ein sattes Minus.
Den Kurort Kreuth hat es besonders heftig getroffen: 36 Prozent weniger Gäste als im Vorjahr besuchten die Gemeinde im Kreis Miesbach. Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge fallen deutlich niedriger aus als gewohnt. „Wir sind sehr vorsichtig in die Haushaltsplanungen gegangen“, erklärt Bürgermeister Josef Bierschneider. Sanierungsmaßnahmen, energetische Vorhaben und Straßenbauten wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. „Wir wissen nicht, wann die Einnahmen wieder auf normalem Niveau sind.“
Denn auch in diesem Jahr sieht die Statistik im Tegernseer Tal dürftig aus. Erst seit einigen Wochen dürfen wieder Touristen beherbergt werden. Im April übernachteten weniger als 2000 Gäste am Tegernsee – im letzten April vor Corona waren es fast 30 000 Menschen, die Kurtaxe, Gebühren und Hotelrechnungen zahlten. „Wir rechnen mit einem guten Sommer“, sagt Baumgartner. Die heftigen Einbußen der vergangenen Monate wird das aber nicht abfangen.