Wenn Natur weichen muss

von Redaktion

Vogelschützer sehen Nachholbedarf bei Ausgleichsflächen

München – Wenn in Bayern ein neues Baugebiet ausgewiesen wird oder neue Straßen geteert werden, müssen dafür Ausgleichsflächen geschaffen werden. Der Grundgedanke: Wird Natur für neue Baumaßnahmen zerstört, müssen anderswo ökologisch wertvolle Flächen entstehen, um diesen Eingriff auszugleichen. Doch nicht überall in Bayern passiert das so, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) hat in einer Untersuchung Beispiele gesammelt, die zeigen, was schiefläuft – aber auch, wie es richtig gemacht werden kann.

Unzufrieden sind die Vogelschützer etwa mit einem Neubaugebiet in der Marktgemeinde Gars am Inn im Kreis Mühldorf. Dort sollten eigentlich auf einer kleinen Fläche von 0,1 Hektar direkt im Wohngebiet Streuobst- und heimische Laubbäume gepflanzt werden. Stattdessen werden die Flächen laut LBV von den Anwohnern als „erweiterte Vorgärten“ genutzt. Mit kurzgeschorenem Rasen und angepflanzten Ziergehölzen wie Kirschlorbeer, was aus Sicht der Naturschützer die Flächen ökologisch völlig entwerte.

Weiteres Negativbeispiel: Eine Ausgleichsfläche in der Gemeinde Herrsching am Ammersee. Eigentlich habe dort alles gut angefangen, heißt es im Bericht der Naturschützer. Denn im Ortsteil Breitbrunn wurde eine Streuobstwiese samt Extensivwiese und Gehölzpflanzung angelegt. Doch die Streuobstbäume seien so jung gepflanzt und radikal zugeschnitten worden, dass sie erst in frühestens zehn Jahren die vorgeschriebene Kronenhöhe erreichen werden, heißt es in dem Gutachten für den LBV. Außerdem sei die Fläche als Parkplatz für landwirtschaftliche Maschinen und für Komposthaufen zweckentfremdet worden.

Doch es muss nicht immer schlecht laufen. Als positives Beispiel hebt der LBV etwa den Ausgleich zum Bau der 2006 in Betrieb genommenen ICE-Trasse von München nach Ingolstadt hervor. In Karlsfeld (Kreis Dachau) hat die Deutsche Bahn westlich des Naturschutzgebiets Schwarzhölzl ein Biotop geschaffen, das mittlerweile der Bund Naturschutz gekauft hat und pflegt. Und das funktioniert laut den Gutachtern so gut, dass dort Rote-Liste-Arten wie das Knabenkraut wachsen und Tiere wie der Fasan, der Teichrohrsänger und zahlreiche Amphibien einen Lebensraum finden.

„Die positiven Beispiele spiegeln die Vielfalt der Lebensräume in Bayern wider“, sagt Marianne Kunkel vom LBV. Doch die Negativbeispiele zeigten: Es gebe Nachholbedarf. So würden etwa teilweise Ausgleichsflächen weiter intensiv landwirtschaftlich genutzt. „Gerade bei kleinen Flächen wird der Ausgleich gerne mal unter den Tisch gekehrt“, sagt der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer. Er fordert deshalb, dass auch wirklich alle Ausgleichsflächen im sogenannten Ökoflächenkataster gemeldet werden. Und dass künftig diejenigen, die für den Eingriff in die Natur verantwortlich sind, verpflichtend nachweisen müssen, dass die Ausgleichsflächen wie vorgegeben angelegt wurden. „Das sind wir Bayerns Natur schuldig.“

Der Bayerische Bauernverband spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, den Flächenverbrauch stärker einzudämmen, sodass es erst gar nicht zu großen neuen Ausgleichsflächen kommen muss. Wichtig sei, möglichst viele land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen zu erhalten. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann forderte zudem, dass nicht alle Ausgleichsflächen zu Lasten der Landwirtschaft gehen dürfen. Die Kommunen müssten mehr Grün in den Städten ermöglichen, statt die Ausgleichsflächen in die Außenbereiche zu verlagern. DOMINIK GÖTTLER

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