Blutiges Fußbad am See

von Redaktion

VON JOSEF AMETSBICHLER

Ebersberg – „Das Monster ist immer noch da drin“, sagt Ewald Groß. Dann muss er lachen. Seine schmerzhafte Begegnung mit der Bestie vom Antoni-Weiher hat der 74-Jährige aus Zorneding (Kreis Ebersberg) psychisch längst verarbeitet, auch der Fuß zwickt tags darauf nicht mehr. Was bleibt, ist ein ganzer Schwung Bissspuren an den Zehen. Und ein Video, das den Überraschungsangriff aus der Tiefe zeigt.

Nicht zum ersten Mal sitzt Ewald Groß am vergangenen Donnerstag am Antoni-Weiher im Ebersberger Forst, dem manche den Spitznamen Zaubersee gegeben haben. Vom Holzsteg aus lässt er die Füße und die Seele baumeln. Wie meistens umschwärmen Rotfedern wie kleine Putzerfische die nackten Zehen des Ruheständlers, ihr Knabbern kitzelt. Mit dem Handy filmt der Zornedinger den neugierigen Schwarm. Da schießt von links unten ein oberschenkeldicker Schemen ins Bild, direkt auf seine Zehen los – und schnappt zu. Als Ewald Groß erschrocken die Füße aus dem Wasser zieht, tropft Blut in den Antoni-Weiher. „Ich bin jetzt noch fassungslos“, sagt er.

Die Wunden seien weder schlimm noch tief, wegen der rasiermesserscharfen Fischzähne sah es aber auf den ersten Blick nach Blutbad aus. Die erste Erklärung, die sich Groß zusammenreimt: Ein größerer Raubfisch schnappt, angelockt von den kleinen Beutefischen, zu – und bekommt die Zehen als unerwarteten Beifang ins Maul. Groß streift sich vorsichtig Socken und Schuhe über und radelt wie vom wilden Fisch gebissen (also verdattert, aber recht gelassen) von der einsamen Stelle im Forst aus zu einer Bekannten, die in der Nähe wohnt. Sie versorgt ihn mit Verbandsmaterial. Zum Arzt geht der 74-Jährige nicht, die Wunden scheinen tadellos zu verheilen. „Es tut nicht weh, aber ich spüre es noch“, sagt er.

„Das kann nur ein Hecht gewesen sein“, sagt Josef Pfaller. Er ist der Pächter des Sees und weiß, dass der Laich der Raubfische von Vögeln auch in abgelegene Gewässer wie seines getragen wird. Von Fischbissen hört er nicht das erste Mal. Seine Frau habe der Hecht einmal so am Arm erwischt, dass sie die Wunde beim Arzt behandeln ließ. Das Risiko bestehe an so einem Gewässer nun mal. Die kleinen Rotfedern seien scharf auf Brotkrumen, die manche Besucher ins Wasser werfen, und kämen deshalb angeschwommen, wenn es sich jemand auf dem Steg gemütlich macht. Der Hecht wiederum sei scharf auf die Rotfedern – und bei seinen rabiaten Angriffen nicht immer zielsicher.

Ewald Groß jedenfalls hat die schmerzhafte Erfahrung den See nicht verleidet. Er wird seine Zehen wieder ins Wasser halten. „Da habe ich keine Bedenken“, sagt er. Aber Besucher sollten wissen, dass dort ein Zehenbeißer lauert.

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