Die weiße Wand von Huglfing

von Redaktion

München – Als das Unwetter am Sonntagabend aufzog, saß Romina Schmid noch fröhlich mit der Familie im Garten. „Wir haben es gerade noch alle ins Haus geschafft, da flogen schon die Dachziegel zum Fenster herein“, sagt sie. 15 Minuten lang habe sie beim Blick aus dem Fenster nur noch eine weiße Wand gesehen. „Da ist alles geflogen, so etwas habe ich noch nie gesehen.“

Das Gut Grasleiten, ein Ferien- und Erlebnisbauernhof bei Huglfing im Landkreis Weilheim-Schongau, lag im Zentrum einer Gewitterzelle, die sich am Sonntagabend in Südbayern entlud und für vollgelaufene Keller, Murenabgänge und teils erhebliche Schäden durch Sturm, Hagel und Blitzeinschläge sorgte. Erst am Tag danach wird das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar.

„Beziffern können wir das noch nicht, dazu ist zu viel kaputt“, sagt Schmid. Von der kleinen Kapelle am Hofgut hat der Sturm einfach das Zwiebeldach abgerissen. Ringsum seien Bäume umgefallen, Dächer und Fenster der teilweise denkmalgeschützten Gebäude beschädigt, sagt Schmid. Der einzige Trost: Die Familie und alle 40 Gäste des Ferienhofs sind unverletzt geblieben, ebenso die Kälber und Kühe – auch wenn die nach dem Unwetter völlig außer Rand und Band waren und erst wieder zusammengesammelt werden mussten.

Die Feriengäste hätten den ersten Schock gut verkraftet, sagt Schmid. „Wir sind wahnsinnig dankbar.“ Denn gestern packten die Gäste kräftig mit an und halfen mit, die gröbsten Schäden zu flicken. „Wir sind nicht allein, das hat uns alle wieder ein bisschen beruhigt“, sagt Schmid. Sie lässt sich ihren Optimismus nicht nehmen. „Wir bekommen das hin. Aber es wird viel Arbeit.“

Tödlich endete das Unwetter für einen 57-jährigen Jäger aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen (wir berichteten). Der Mann befand sich am Sonntagnachmittag als Gast bei einer Jagd in einem Waldstück bei Eglfing (Kreis Weilheim-Schongau). Jagdkollegen fanden ihn am Abend leblos unter einem umgeworfenen Hochstand auf. Die herbeigerufenen Rettungskräfte konnten ihm nicht mehr helfen. Nach ersten Ermittlungen der Kripo hatte der Sturm den Hochsitz aus der Verankerung gerissen und den Jäger zu Boden geschleudert.

Im Landkreis Weilheim-Schongau waren gestern noch immer etliche Gemeinden ohne Strom und Telefon. In Ober- und Unterschleißheim im Landkreis München waren zudem übers Wochenende 42 000 Menschen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Grund dafür: Ein Stromausfall im Wasserwerk, vermutlich infolge eines Blitzschlags. Mittlerweile steht die Versorgung wieder, allerdings empfehlen die Wasserwerke derzeit noch, das Leitungswasser vor dem Trinken oder dem Zähneputzen abzukochen. Das Gesundheitsamt hat Proben genommen und prüft derzeit noch die Wasserqualität.

Auch im nördlichen Landkreis Garmisch-Partenkirchen sind die Schäden massiv. Der Sturm hat eine regelrechte Schneise in die Landschaft geschlagen. In Uffing entwurzelte der Wind das Wahrzeichen des Ortes: die mächtige Linde am Kirchplatz zerbrach wie ein Streichholz.

Entwarnung gibt es derweil noch keine. „Bis zum Wochenende ist weiter mit Gewittern zu rechnen“, sagt Guido Wolz vom Deutschen Wetterdienst. Auch Hagel, Starkregen und Sturm sei vor allem im Alpenvorland weiter möglich.  dg/set/sj/icb

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