München – Holger Schedl hat es aktuell mit einer Situation zu tun, die es selten gab. Als BRK-Kreisgeschäftsführer betreibt er mehrere Pflegeheime im oberpfälzischen Landkreis Tirschenreuth. „15 bis 20 Prozent unserer Heimplätze sind aktuell frei“, berichtet er. Besonders in den Heimen nahe der Grenze zu Tschechien ist die Nachfrage aktuell überschaubar. „Die Ängste sind noch da“, sagt Schedl. Anfang des Jahres waren die Infektionszahlen in der Region sehr hoch – und in vielen Heimen gab es Corona-Ausbrüche. Zwar sind jetzt fast alle Heimbewohner gegen das Virus geimpft – doch Schedl kann verstehen, dass viele Angehörige Angst haben, diese Lage könnte sich noch einmal so zuspitzen wie im vergangenen Winter. Aktuell könnten viele Familien auch die Pflege einfacher zu Hause bewältigen, sagt er. Denn noch arbeiten viele im Homeoffice. Aber der Herbst ist bereits jetzt Thema, berichtet Schedl. Nicht nur bei den Heimleitungen, sondern auch bei Bewohnern und Angehörigen. Die meisten Heime haben zwar inzwischen gute Konzepte entwickelt, betont er. „Letztendlich erlässt aber die Politik Verordnungen, an die wir uns halten müssen.“
Nicht nur in der Oberpfalz ist es gerade leichter als sonst, an einen Heimplatz zu kommen. Viele Träger melden aktuell freie Plätze. Bemerkbar mache sich das vor allem in Einrichtungen, in denen es viele Infektionen gegeben hatte, berichtet Tobias Utters, Sprecher der Caritas in Bayern. Das bestätigt auch Doris Schneider, die als Geschäftsführerin für die 27 Caritas-Altenheime in Oberbayern zuständig ist. „Das Image der Heime ist durch die Pandemie nicht besser geworden“, sagt sie. Bei vielen Bewohnern und Angehörigen sei die Angst vor erneuten Besuchsverboten oder Corona-Ausbrüchen spürbar. Allerdings geht sie davon aus, dass die Nachfrage nach Heimplätzen in den nächsten Wochen und Monaten wieder steigen wird. „Ich glaube, dass es ein ganzes Bündel an Gründen gibt, warum aktuell viele Angehörige zögern.“ Auch die wirtschaftliche Not durch die Pandemie könnte mitspielen.
Auch Maike Hessel von der Arbeiterwohlfahrt geht davon aus, dass die freien Plätze in den AWO-Heimen nicht allzu lange frei bleiben werden. In München und dem Landkreis München bemerkt sie bereits jetzt, dass die Nachfrage wieder steigt. „Ich glaube nicht, dass es noch mal zu Besuchsverboten kommen wird“, sagt sie. Auch während des Lockdowns seien Besuche in den Heimen die meiste Zeit möglich gewesen – wenn auch unter strengen Auflagen und mit guter Organisation. Eine Situation wie damals wolle man in jedem Fall vermeiden. Erst neulich war Hessel zu Gast bei einem kleinen Sommerfest in einem Pflegeheim. Sie hat gesehen, wie die Senioren es genossen haben, wieder zusammenzukommen, gemeinsam zu lachen. „Die Stimmung ist wieder relativ normal“, sagt Hessel. Dank der Impfungen und der niedrigen Infektionszahlen.
Einen positiven Nebeneffekt hat es, dass viele Heime gerade nicht voll belegt sind. Es ist gerade einfacher als sonst, einen Kurzzeitpflege-Platz zu bekommen, berichtet Wolfgang Dausch. Er ist Sprecher des Waldsanatoriums in Krailling (Kreis Starnberg). Auch dort sind Plätze frei – obwohl es im Winter keinen einzigen Corona-Fall gegeben hatte. Gerade jetzt in der Urlaubszeit seien vielen Familien auf Kurzzeitpflege angewiesen. „Sonst tun wir uns im Sommer deutlich schwerer, die vielen Anfragen zu erfüllen“, sagt Dausch.