Garching – Eigentlich bezeichnet sich Christian Klages ja nicht als Sammler. Von Sammlern unterscheidet ihn, dass er sich liebend gerne von seinen Schätzen trennt – wenn er den perfekten Platz dafür gefunden hat. Seine Frau Delia würde vermutlich doch eher sagen, dass sie mit einem waschechten Sammler zusammenlebt. Vor dem Haus in Garching stehen aktuell vier englische Telefonhäuschen, ein weiteres liegt in Einzelteilen zerlegt gut abgedeckt in der Einfahrt. In Christian Klages’ Keller-Werkstatt gibt es nicht nur etliche rote Farbtöpfe – sondern auch jede Menge Einzelteile, die mal Telefonzelle waren und es irgendwann auch wieder sein sollen.
Und dann gibt es noch etwas, das Klages mit leidenschaftlichen Sammlern gemeinsam hat: Er kann hemmungslos von englischen Telefonzellen schwärmen. Die passende Gelegenheit findet sich dazu ständig. Denn in Bayern hat sich längst herumgesprochen, dass im Landkreis München ein Mann lebt, der aus alten Telefonzellen Schmuckstücke macht. Immer wieder bekommt der 84-Jährige Anrufe – von Menschen, die sich ein englisches Telefonhäuschen im Garten wünschen. Dann beginnt ein neuer Einsatz für ihn.
Klages’ Hobby begann bei einer seiner vielen England-Reisen. Die roten Telefonhäuschen hatten es ihm einfach angetan. Er hat sich mit ihrer Geschichte beschäftigt, die in den 1930er-Jahren mit einem Design-Wettbewerb zum Thronjubiläum von König Georg V. begann. Das Modell des britischen Architekten Sir Giles Gilbert Scott setzte sich durch. Doch noch bevor die erste britische Telefonzelle zu sehen war, starb der König, berichtet Klages. Nichtsdestotrotz standen bis zum Ende des Jahrzehnts 20 000 dieser Telefonzellen des Modells K6 in England. Heute, im Handy-Zeitalter, wird mit ihnen natürlich kaum noch telefoniert. Sie sind etwas für Nostalgiker wie Christian Klages. Irgendwann kam ihm die Idee, sich so eine Telefonzelle in den Garten zu stellen. „Und dann habe ich mir eine organisiert“, erzählt er – als ob das so leicht wäre wie an ein Telefonbuch zu kommen. Er hatte Freunde in England, die ihm halfen. „Allein der Transport nach Deutschland war ein Abenteuer“, erzählt er. Zehn Helfer waren nötig, um das 850 Kilo schwere Trum auf einen Gabelstapler zu bekommen. Christian Klages restaurierte das schöne alte Telefonhäuschen. Er fand einen Helfer in Altötting, der das Gehäuse mit dem Sandstrahl bearbeitete und neu lackierte. Den Rest erledigte er in vielen Stunden Handarbeit.
Dann kamen die Bewunderer. Immer wieder wurde Klages auf die alte Telefonzelle angesprochen. Immer wieder kamen Angebote, sie ihm abzukaufen. Einige waren so beharrlich, dass Christian Klages eine neue Telefonzelle auftrieb, die er restaurierte. Und danach wieder eine neue. Inzwischen sind es knapp 40, schätzt er. Zwei hat er selbst behalten. Zwei bis drei weitere hat er zu Hause in Garching immer in Arbeit. „Wenn sie fertig sind, gibt es immer kurz diesen einen Moment, in dem ich sie nicht hergeben möchte“, sagt er und schmunzelt. Inzwischen hat er Übung darin, diesen Moment zu überwinden. Zumal es ihm genauso viel Freude bereitet, anderen dabei zuzusehen, wie sie sich über ihre Telefonzelle freuen. Nur für solche Menschen macht er sich die Arbeit, betont er. Wenn es um britische Telefonzellen mit Original-Ausstattung geht, dann wird bei Klages nicht um den Preis gefeilscht. „Hier geht es schließlich um ein Kulturgut“, sagt er. Rund 3500 Euro kostet ein restauriertes Telefonhäuschen. Neulich bat ihn ein Anrufer um eine Telefonzelle, in die er eine Gartendusche bauen wollte. Klages schüttelt jetzt noch den Kopf.
Manchmal laden ihn die Käufer anschließend sogar ein. In ein paar Tagen wird er mit seiner Frau nach Bad Kissingen fahren, um sich einen seiner besonderen Schätze am neuen Standort anzusehen. Zum hemmungslosen Schwärmen hat er aber auch zu Hause in Garching regelmäßig Gelegenheit. „Hier bleiben so viele Spaziergänger stehen, dass ich manchmal kaum zum Arbeiten komme“, sagt er lächelnd. Und weil er so viel Freude an der Freude der anderen hat, hat er eine Telefonzelle hübsch dekoriert mit Schaufensterpuppen. In einem der Fenster ist ein Schlüssel ausgestellt. „Diese Telefonzelle stand bis 1985 vor dem Buckingham Palast in London. Von hier aus rief Queen Elizabeth II. 1979 ihren Butler an, weil sie den Hausschlüssel vergessen hatte“, steht dabei. Stimmt das?, fragen ihn die Spaziergänger immer wieder. „Natürlich“, sagt Klages dann entrüstet und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Das hat mir die Queen selbst erzählt.“ Zuzutrauen wäre es ihm ja, dass selbst die Queen schon von seiner Telefonzellen-Begeisterung erfahren hat.
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