Der künstlerische Universalist

von Redaktion

Ex-Kultusminister Maier würdigt Orgelmuseums-Gründer Sixtus Lampl zum 80. Geburtstag

Valley – Sixtus Lampl ist ein Original. Der ehemalige Konservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege hat mit großer Leidenschaft und unerschöpflicher Energie in Valley (Landkreis Miesbach) ein Orgelmuseum aufgebaut, das seinesgleichen sucht. Mehr als 60 Orgeln hat er in dem von ihm sanierten Alten Schloss untergebracht. Heute wird der Historiker, Theologe und Musiker 80 Jahre alt. Professor Hans Maier (90), früherer bayerischer Kultusminister und erwiesener Orgel-Experte, würdigt den umtriebigen Museums-Chef in einem exklusiven Beitrag in unserer Zeitung:

Schon als kleiner Bub trat er den Blasebalg und erlernte das Orgelspiel. Dann rückten die Orgeln in den Mittelpunkt seines Forscherlebens. Am heutigen Freitag wird Dr. Sixtus Lampl, Herr im Alten Schloss Valley und Schöpfer des dortigen Orgelzentrums, 80 Jahre alt. Ein guter Anlass, Dankbarkeit zu bekunden und Grüße und Glückwünsche an ihn zu senden – und ebenso an seine Frau Inge Lampl, Lehrerin und Musikerin, Mitwirkende und manchmal Mitleidende des Mega-Unternehmens Orgelzentrum.

Sixtus Lampl ist ein künstlerischer Universalist, ein Forscher mit weitgespannten Interessen, ein Praktiker und Organisator von hohem Rang. Der 1941 in Westenhofen am Schliersee Geborene hat in München Kunstgeschichte, bayerische Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Musikwissenschaft studiert. Sein kunsthistorischer Lehrer war Norbert Lieb, Musikwissenschaft lernte er bei Thrasybulos Georgiades – zwei wissenschaftliche Koryphäen, die mit ihren Fächern neue Wege gingen.

Norbert Lieb hat früh die besondere Begabung Lampls erkannt: „Was uns reinen Kunsthistorikern verborgen bleibt, erschließt sich dem Kunsthistoriker und Musiker Sixtus Lampl wie von selbst.“

In der Tat haben die alten Klosterkomponisten Bayerns in ihren Werken stets Bezug auf die Akustik ihrer Kirchen genommen, und so ist ihre Musik untrennbar mit der jeweiligen Architektur verbunden. Will man sie neu erschließen, muss man an die jeweiligen Kirchen-Orte gehen und sich in die Räume einhören und einfühlen. Damit hat Sixtus Lampl beispielhaft 1963 begonnen, als er eine Vesper des Tegernseer Benediktiner-Komponisten Leonhard Trautsch neu aufführte. Er war darauf besonders gut vorbereitet – handelt doch seine zweibändige Dissertation über „Die Klosterkirche Tegernsee“ (1972).

Viele bisher unbekannte, von ihm neu entdeckte und edierte Kompositionen hat Lampl seither aufgeführt. Um die interessierten Hörer „vor Ort“ zu bringen, hat er eigene Kulturfahrten entwickelt. Er dirigiert auch eigene Chöre. Doch über dem Musikhistoriker ist auch der Kunsthistoriker Lampl nicht zu vernachlässigen: Er hat sich vor allem mit den Gebrüdern Johann Baptist und Dominikus Zimmermann beschäftigt, denen er anschauliche, gut lesbare Studien gewidmet hat.

Von 1977 bis 2006 war Sixtus Lampl als Konservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege tätig – seit 1980 mit der Betreuung der historischen Orgeln des Freistaats betraut. Er war Bayerns erster offizieller Orgeldenkmalpfleger. Das ist, so sollte man meinen, nichts Aufregendes, alles deutet auf einen eher ruhigen Job hin, sind doch Orgeln schon per se schwer bewegbare Instrumente, die man nicht wie Violinen, Celli, Flöten, ja selbst Klaviere einfach hin- und herbewegen kann, da sie ein Teil des Kirchenbaus sind. Orgeln stehen auf ihren Emporen ebenso fest, so scheint es, wie Türme oder Gewölbe.

Doch weit gefehlt. Seit der um 1900 beginnenden „Orgelbewegung“ befindet sich die Orgellandschaft in Deutschland, ja in ganz Europa, in heftigen Wandlungen und Umbrüchen. Waren im 19. Jahrhundert viele barocke Instrumente einer vermeintlich moderneren Technik und einem neuen homophonen Klangbild zum Opfer gefallen, so geriet im 20. Jahrhundert umgekehrt die romantische Orgel in den Fokus der Kritik. Berühmte Orgelwerke wurden abgerissen.

Eine der letzten romantischen Orgeln in Bayern, die Koulen-Orgel von St. Martin in Landshut, sollte sogar verschrottet werden. Um sie zu retten, erwarb Sixtus Lampl sie eigens selbst.

Aber wohin damit? Da sich keine Interessenten fanden und kein Aufstellungsort zugänglich war, kauften Inge und Sixtus Lampl die Ruine des Alten Schlosses in Valley – in der früher Michael Ende gewohnt und geschrieben hatte – und richteten dort ein Orgelmuseum ein. Es wurde – später ergänzt durch die umfangreiche hölzerne Zollingerhalle – zum größten privaten Orgelmuseum Bayerns und zu einer der größten Orgelsammlungen der Welt.

Mehr als 60 Orgeln verschiedener Größe und Bauweise befinden sich inzwischen dort, davon mehr als ein Drittel spielbereit restauriert; das reicht von der Moser-Orgel aus der Basilika Gößweinstein – mit ihren 42 Registern das größte Instrument im Konzertsaal –, der Steinmeyer-Orgel aus der Jesuitenkirche in Heidelberg, der Orgel aus dem Evangelischen Schröderstift in Hamburg, der alten Orgel der Münchner Frauenkirche bis hin zu einer Kino-Orgel aus der Stummfilmzeit und kleinen „handsamen“ Instrumenten, Kasten- und Tischorgeln. Eine Kostbarkeit ist die Reiseorgel, mit der Karl Richter einst auf Konzerttouren ging. Manche Orgel wurde, nachdem sie in Valley restauriert worden war, auch wieder in Kirchen verwendet – so die Zellhuber-Chororgel aus der Münchner Frauenkirche, die heute in St. Katharina in München steht; doch ist das eher die Ausnahme.

Sixtus Lampl ist mehrfach ausgezeichnet worden. Ein Adelstitel für Kenner war bereits 1985 die Nachfolge Walter Suppers im Beratenden Ausschuss der Internationalen Gesellschaft der Orgelfreunde (GdO). 2015 erhielt er die silberne bayerische Verfassungsmedaille; zwei Jahre später verlieh ihm die Bayerische Akademie der Wissenschaften ihren Akademiepreis.

Auch mit 80 Jahren hat der renommierte Gründer und Eigentümer des Orgelzentrums Valley seine Energie und Tatkraft nicht verloren. Noch immer droht ja auch vielen Orgeln im Land der Abriss – oft ganz ohne triftigen Grund – und dagegen hat der praktizierende Organist Sixtus Lampl sich von Anfang an mit guten Gründen aufgelehnt. Zu Recht hat man von ihm gesagt, er kämpfe für seine Orgeln mit der Zähigkeit eines Bergbauern.

Für Musikstudenten und Orgel-Liebhaber ist Valley ein idealer Anschauungs- und Studienort. Man kann sich dort auf einem „Orgellehr- pfad“ in die tausendjährige Geschichte der Pfeifenorgel vertiefen.

Sixtus und Inge Lampl haben nicht nur ihre Kräfte und Fähigkeiten in diese Sammlung investiert – sie haben von Anfang an auch ihr Privatvermögen dafür eingesetzt. Und der Arbeits- und Finanzaufwand für das Orgelzentrum war beträchtlich, immer wieder fielen neue immense Kosten an. Orgeln müssen abgebaut, transportiert, gereinigt, zerlegt, restauriert und wieder neu aufgebaut werden: handwerkliche Aktivitäten, die teuer, oft lästig, geräuschvoll und riskant sind – von der wissenschaftlichen Dokumentation, der historischen Ein- und Zuordnung ganz abgesehen. Dazu reichten die öffentlichen Zuschüsse und die Hilfen der Freunde und Spender nie aus.

Daher nehmen die Freunde des Orgelzentrums es erfreut zur Kenntnis, dass die Stiftungsaufsicht soeben die geplante „Dr. Sixtus und Inge Lampl-Stiftung“ genehmigt hat. Damit besteht Hoffnung, dass das Werk der beiden, das Orgelzentrum Valley mit Museum, Werkstätten und Konzertsaal, die eigene Lebenszeit überdauern und Eingang finden wird in das kulturelle Erbe Bayerns. Das hat es ja auch schon längst verdient.

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