Gute Pflege beginnt mit Herzlichkeit

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

München – Cordula Zickgraf war 17, als sie wusste, dass sie ihr Berufsleben kranken Menschen widmen will. Sie hatte gerade ein Praktikum in einem Krankenhaus gemacht, das von Nonnen geleitet wurde. Ihre Eltern konnten ihre Entscheidung nicht verstehen. „Du hast doch eine gute Schulausbildung“, sagten sie. Zickgraf ließ sich nicht abbringen. Und noch bevor sie die Ausbildung beendet hatte, brannte sie noch mehr für ihren Beruf. Damals, als Schwesternschülerin, erkrankte sie schwer, musste 20 Tage im Krankenhaus liegen. Sie teilte sich das Zimmer mit einem krebskranken Mädchen. Diese Zeit, in der sie die Pflege von der anderen Seite kennenlernte, war eine ihrer wertvollsten Lektionen.

Cordula Zickgraf ist heute 67. Sie hat ihre Berufswahl nie bereut. Obwohl sie kein leichtes Arbeitsleben hatte. Wenn sie frustriert nach Hause kam, dann war das aber meistens nicht wegen der Arbeitsbedingungen oder der schlechten Bezahlung. Sondern wegen der Haltung vieler ihrer Kollegen. Die meiste Zeit war die Münchnerin Arzthelferin in Praxen – und hat oft erlebt, wie unfreundlich Patienten abgefertigt wurden. Solche Situationen gebe es natürlich nicht nur in Arztpraxen, sagt sie. Auch in Krankenhäusern oder Pflegeheimen hat sie das oft beobachtet. Stress sei dafür keine Entschuldigung, betont sie. „Es dauert genauso lange, jemandem freundlich guten Morgen zu wünschen, wie unfreundlich zu sein.“ Cordula Zickgraf hat das auch oft ihren Kollegen gegenüber gesagt. „Dann bin ich gemobbt worden“, erzählt sie. „Teilweise haben die Kollegen deswegen nicht mehr mit mir gesprochen.“ Verstanden hat Zickgraf das nie. „Es kann doch niemand etwas dagegen haben, nett zu Patienten zu sein.“ Auch Überlastung sei keine Entschuldigung.

Zickgraf könnte diese Zeit hinter sich lassen. Sie ist im Ruhestand, könnte sich jetzt ganz auf das Bücherschreiben konzentrieren, wie sie es sich vorgenommen hatte. Doch das Thema Pflege lässt sie einfach nicht los. Auch deshalb, weil seit vier Jahren wieder eine neue Perspektive dazugekommen ist. Damals musste ihr Lebensgefährte ins Pflegeheim ziehen. Sie verfolgt den Heimalltag sehr genau – weil sie aus ihrer Berufszeit weiß, dass die Pflege nicht überall gleich gut ist. Natürlich hat sie versucht, für ihn einen Platz in einem guten Heim zu bekommen. Doch selbst dort pflegt sie mit. Weil sie manchen Pflegekräften nicht vertraut. Spätestens seit bei ihm eine Sepsis nicht erkannt wurde, hat sie kein gutes Gefühl mehr, wenn sie ihn nicht regelmäßig besuchen kann. „Ich kann nichts Negatives über die Pflege sagen – aber bisher kann er auch noch viel selbst machen“, erzählt sie. „Doch er bräuchte viel mehr Ansprache.“ Mal ein nettes Wort, mal ein „es tut uns leid“, wenn etwas schiefgelaufen ist. „Er bittet mich immer wieder, dass ich mich nicht beschwere“, sagt Zickgraf. Aus Angst, er könnte dann schlechter behandelt werden. Für sie ist das schwer auszuhalten.

Gleichzeitig weiß sie ja, wie viel Arbeit die Pflegekräfte oft haben. Und dass sie von Angehörigen oft aggressiv angegangen werden. „Trotzdem: Das dürfen doch nicht die Patienten abkriegen.“ Ihr Appell an die Pflegekräfte ist: „Tut euch zusammen, wenn die Arbeitsbedingungen gute Pflege unmöglich machen, geht auf die Straße – oder sucht euch einen anderen Arbeitgeber. Gute Pflegekräfte werden überall gebraucht.“ Niemand müsse schlecht pflegen, betont sie. Und trotzdem gebe es viele, die es tun und es auf die Arbeitsbedingungen schieben.

Zickgraf ist nicht verbittert. Sie würde sich auch heute noch sofort wieder für ihren Beruf entscheiden, sagt sie. Und ihn jungen Menschen empfehlen. „Aber sie sollten viele Schulungen bekommen, in denen sie lernen, wie wichtig ein nettes Wort sein kann. Denn dann kommen die herzlichen Reaktionen, die die Pflege zu einem so schönen Beruf machen.“

Natürlich macht sich Zickgraf oft Gedanken darüber, was sein wird, wenn sie selbst Hilfe braucht. „Ich habe meinen Kindern gesagt, dass ich dann in ein Heim möchte.“ Sie weiß, was Pflege bedeutet, und möchte die Kinder nicht damit belasten. Aber sie sagt ihnen auch immer: „Bitte besucht mich dann oft.“ Das sagt sie aus Angst, irgendwann schlechter Pflege hilflos ausgeliefert zu sein.

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