München – Es hätte eigentlich ein entspannter Familienurlaub werden sollen. Dass er kurz nach seiner Ankunft in München zum Lebensretter werden würde, hätte Jürgen Hermann (37) aus St. Georgen im Schwarzwald nicht gedacht. „Ich habe gar nicht lange nachgedacht und einfach mit all meiner Kraft den Rollstuhl festgehalten“, erzählt der Familienvater.
Was war passiert? Hermann fuhr am Mittwoch mit seiner Frau Petra und Tochter Finnja (13) für einen Städte-Trip nach München. Nachdem er die Frauen an einem Hotel in der Stadt abgesetzt hatte, parkte er das Auto außerhalb auf einem Waldparkplatz und fuhr mit der S-Bahn zurück in die Innenstadt. So war Hermann zufällig genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und zwar gegen 13 Uhr am Hauptbahnhof, S-Bahngleis 2. Dort versuchte eine Rollstuhlfahrerin (56) vergeblich rückwärts in einen Wagen der S8 nach Herrsching zu rollen. Als sich die Türen schlossen, rutschte der Rollstuhl mit einem Rad in die Lücke zwischen Bahnsteig und Zug. Just in dem Moment ging Hermann am Gleis entlang und hörte hinter sich, wie der Rollstuhl gegen die die S-Bahn krachte. Der losfahrende Zug schrammte an der hilflosen Frau entlang. „Ich bin hingerannt und habe sie festgehalten“, erzählt der Mechaniker. Gerade noch rechtzeitig. Denn als der Zug weg war, hing der Rollstuhl mit zwei Rädern über der Gleiskante. Die Frau drohte in die Tiefe zu stürzen. „Ich musste viel Kraft aufwenden“, erzählt Hermann. „Zum Glück kamen Passanten dazu und halfen mir, den Rollstuhl hochzuziehen.“ Die Herrschingerin kam mit leichten Verletzungen und einem Schock davon. Sie liegt im Krankenhaus und ist laut Bundespolizei „auf dem Weg der Besserung.“ Die Beamten ermitteln. Unter anderem steht die Frage im Raum, warum weder der S-Bahn-Fahrer noch die Bahnsteigaufsicht das Drama mitbekommen hatten (wir berichteten). Die Deutsche Bahn teilte mit: „Wir prüfen den Sachverhalt aktuell, daher bitten wir um Verständnis, dass wir uns zu Details nicht äußern.“
Besonders stolz auf Jürgen Hermann ist nun Tochter Finnja: „Mein Papa ist ein Held!“ Nach dem aufregenden Start verläuft der Rest des Urlaubs für die Familie Hermann hoffentlich ruhiger. LAURA FELBINGER