Kelheim – Martin Neumeyer steht am Grill und wendet Bratwürste. Eine nach der anderen. Neun Stunden lang. Es ist nicht gerade ein typischer Arbeitstag für einen Landrat. Aber ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Strategien. Die Bratwürste landen in Semmeln und die wiederum landen in den Händen von Menschen, die sich an diesem Sommernachmittag spontan dazu entschlossen haben, sich gegen Corona impfen zu lassen. Dafür stellt sich der Kelheimer CSU-Politiker gerne persönlich an den Grill. Bis Mitternacht. 350 Menschen haben sich an diesem Tag impfen lassen. „Ein voller Erfolg“, findet Neumeyer. „Gerechnet hatten wir nur mit 100.“
Natürlich ist er auch mit Skeptikern ins Gespräch gekommen, erzählt er. Und natürlich ist für Impfgegner eine Gratis-Wurstsemmel kein Argument, das sie umstimmt. Der Großteil der Leute war aber jung und noch unentschlossen, erzählt Neumeyer. Mit ihnen ist er leicht ins Gespräch gekommen. Und natürlich gab’s immer für die gesamte Familie eine kostenlose Bratwurst. „Es ist schnell eine schöne Stimmung entstanden“, erzählt er. Die Leute saßen auf den Treppenstufen, aßen, lachten zusammen. So eine positive Atmosphäre sei eben manchmal motivierend, sagt Neumeyer.
Die Erfahrung machen gerade mehrere Kommunen in Bayern. Vor dem Skylinepark bei Mindelheim im Unterallgäu gab es am Samstag zwei Euro Ermäßigung auf den Eintritt und einen Verzehrgutschein für fünf Euro zur Impfung. Rund 50 Menschen, vor allem junge Leute, nutzten das Angebot, erzählt der ärztliche Koordinator Max Kaplan. Da sei zwar noch Luft nach oben, räumt er ein. „Aber in unseren Impfzentren finden aktuell auch nur noch 50 Impfungen pro Tag statt – wir haben also einen Tag gewonnen.“ Er ist sicher, dass nicht die Ermäßigungen ausschlaggebend waren für die Parkbesucher. „Das Angebot war niedrigschwellig – das funktioniert.“ Deshalb sind in der Region bereits weitere Angebote dieser Art geplant. Zum Beispiel auf dem Wochenmarkt. „Dort erreichen wir wieder ein anderes Publikum“, sagt Kaplan.
In Nürnberg war es ähnlich. Dort warb Bürgermeister Marcus König (CSU) vor einer Woche mit dem Fest-Maskottchen am Freizeitpark „Nürnbärland“ für die Spritze, die Schausteller verteilten nach dem Pieks Gutscheine für ihre Fahrgeschäfte. Die Bilanz: 274 Impfungen, gut die Hälfte davon mit Johnson & Johnson. Die Aktion soll wiederholt werden.
Geht es nach der Bayern-SPD, müsste es noch viel mehr solcher niedrigschwelligen Angebote im Freistaat geben. „In Thüringen hat sich ja gezeigt, wie gut die Bratwurst-Methode funktioniert“, sagt die Landesvorsitzende Ronja Endres. In der Stadt Sonneberg hatte die Aussicht auf eine warme Wurst deutlich mehr Menschen als an einem durchschnittlichen Impftag zur Spritze gelockt. Endres könnte sich für Bayern eine ganze Reihe solcher Angebote vorstellen. Vom Gutschein für den regionalen Bäcker oder dem freien Eintritt für ein Spiel der heimischen Fußballmannschaft bis zum DJ, der auflegt, während sich junge Erwachsene impfen lassen können. „Hier müsste die Staatsregierung anpacken, statt darüber zu diskutieren, wann sich der Wirtschaftsminister endlich impfen lässt.“ Kreative Lösungen wünscht sich die SPD-Vorsitzende von den Kommunen – und die Staatsregierung soll die nötigen Euros beisteuern, um die Impfangebote so lebensnah wie möglich zu gestalten. Ganz egal, ob mit oder ohne Wurst.