Der Bus gegen die Impfmüdigkeit

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Neuried – Hans Grutza packt am Donnerstagmorgen um halb 9 seinen Impfausweis ein und setzt sich auf sein Fahrrad – in der Überzeugung, dass er der Erste sein wird, der heute in Neuried im Kreis München eine Impfung erhält. Doch als er ein paar Minuten später am Rathaus ankommt, warten dort bereits fünf weitere Impfwillige auf den Bus vom BRK. Die Stimmung ist gut, noch bevor der Bus um 9 vorfährt, sind die Wartenden miteinander ins Gespräch gekommen. Grutza unterhält sich mit einem jungen Pärchen. Die beiden wollen sich heute nur impfen lassen, wenn sie Johnson & Johnson bekommen – mit diesem Impfstoff reicht eine Impfung, nach zwei Wochen haben sie den vollen Schutz. „Wir machen das wegen dem Italien-Urlaub“, sagen sie. Grutza nickt. Er hat vermutet, dass er an diesem Vormittag auf einige treffen wird, die wegen der drohenden Einschränkungen für Nicht-Geimpfte hier sind.

Bei ihm selbst ist es anders. „Ich bin nicht priorisiert“, sagt der Münchner. Vor seinem Urlaub hatte er keinen Impftermin bekommen – nun ist sein Hausarzt erst mal im Urlaub. Die lange Fahrt zum Messezentrum in Riem hat ihn etwas abgeschreckt. Er wäre trotzdem hingefahren, sagt er. Doch dann hat er beim Recherchieren im Internet zufällig gelesen, dass der Impfbus nach Neuried kommt – das sind wenige Fahrrad-Minuten von seiner Wohnung entfernt. „Eigentlich“, sagt er, „ist es ja traurig, dass man den Impfstoff den Menschen vor die Tür fahren muss.“ Lange Wege zum Impfzentrum – das seien schon Luxusprobleme.

Allerdings spielt die Anreise zumindest an diesem Vormittag für viele Wartenden eine große Rolle. Mohammad Tfaily zum Beispiel wohnt nur ein paar Meter entfernt. Er war der Erste, der an diesem Morgen mit seinem Impfausweis in der Hand vor dem Rathaus wartete. Sein Hausarzt impft nicht, die Busfahrt ins Impfzentrum hätte lange gedauert. Er hofft, dass er die Spritze heute bis 9 bekommt und dann pünktlich im Homeoffice mit der Arbeit beginnen kann. Aber nicht nur wegen des Zeitaufwands lässt er sich erst heute impfen, erzählt er. „Ich war lange skeptisch, ob man einem so schnell zugelassenen Impfstoff trauen kann.“ Er wollte erst mal abwarten, wie die Impfungen bei den anderen verlaufen. Nun hat ihn seine Frau Katja überzeugt, sagt er. „Außerdem möchte ich unsere dreijährige Tochter schützen.“ Ähnlich ist es bei dem 35-jährigen José. Er hat lange gebraucht für seine Entscheidung – und er wollte gerne mit Biontech geimpft werden. „Hier weiß ich, dass ich Biontech bekomme“, sagt er.

Wartezeiten gibt es trotzdem. Tfaily ist an diesem Tag tatsächlich der Erste, der eine Impfung bekommt. Trotzdem ist es nach halb 10, als er sich mit dem Stempel im Impfausweis auf den Weg machen kann. Die meisten Wartenden müssen erst mal vor Ort im Impfportal registriert werden und einen Aufklärungsbogen ausfüllen. Auch Hans Grutza – obwohl er sich bereits beim Impfzentrum München registriert hatte – die Daten können aber nicht im Landkreis München verwendet werden. Also muss auch er erst mal viele Angaben machen, bevor es losgehen kann.

Knapp 60 Menschen haben sich an diesem Tag in Neuried impfen lassen – zehn mit Johnson & Johnson, die meisten mit Biontech. Einige von ihnen ganz spontan. Eine Mutter ist mit ihren beiden 14-jährigen und knapp 16-jährigen Kindern zufällig vorbeigekommen. Sie selbst ist bereits geimpft. „Ich möchte, dass meine Kinder im Herbst in der Schule geschützt sind“, sagt sie. Auch die beiden Teenager sind froh, dass sie nun die erste Spritze erhalten haben, sagen sie.

Nicht immer kommen die Menschen von allein zum Impfbus. „Manchmal sprechen wir die Leute auch aktiv an, zum Beispiel auf dem Supermarktparkplatz“, berichtet Peter Niedermeier vom BRK. „Die, die felsenfest gegen die Impfung sind, erreichen wir natürlich auch nicht, wenn wir vor Ort sind“, sagt er. Aber man spüre, dass die Skepsis nachlässt – und der Druck auf Ungeimpfte größer wird. Warteschlangen am Impfbus habe es bisher noch nicht allzu häufig gegeben.

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