München – Tessa Ganserer ist empört. Vor zweieinhalb Jahren outete sich die grüne Landtagsabgeordnete als transsexuell. Dass die 44-Jährige eine Frau ist, daran ist heute nicht mehr zu zweifeln. Doch vor dem Gesetz kann sie immer noch nicht der Mensch sein, der sie ist. Bei ihrer Kandidatur für den Bundestag muss die Nürnbergerin deshalb auch mit ihrem sogenannten „Deadname“ antreten: ihrem alten, abgelegten Vornamen Markus. Ihr neuer Name Tessa steht nur in Klammern dahinter. „Das ist die Spitze der täglichen Erniedrigungen, die ich aufgrund meiner nicht passenden amtlichen Dokumente erleiden muss“, sagt Ganserer. Der falsche Name auf dem Stimmzettel: „Das ist demütigend und respektlos.“
Die Landtagsabgeordnete haderte lange mit dem Schritt in die Öffentlichkeit. Tessa Ganserer ist die erste Politikerin, die sich während ihres Mandats als transsexuell outete. „Ich wusste vor dem Coming-out nicht, ob ich das überstehe“, sagt sie heute. „Das war ein Seelenstriptease, den ich hinlegen musste.“ Noch heute wird sie täglich mit Hass und Transfeindlichkeit konfrontiert. Umso schwerer fällt ihr die Konfrontation mit dem alten Namen. „Jedes Mal, wenn mein Deadname benutzt wird, reißt das alte Wunden auf. Ich kann keinen Corona-Schnelltest machen, kein Auto mieten, kein Visum beantragen, ohne Wildfremden meine Transgeschichte erklären zu müssen.“ Ihr alter Name steht noch immer auf ihrem Personalausweis.
Ganserer steht auf Platz 13 der Grünen-Liste in Bayern. Das gilt als sicherer Platz. Den Sprung ins Parlament möchte sie nutzen, um sich für die Rechte von Transsexuellen und LGBTQ+-Menschen einzusetzen. Ganz oben auf ihrer Agenda: das Transsexuellengesetz zu reformieren.
Wer seinen amtlichen Personenstand im Melderegister ändern möchte, muss ein langwieriges psychologisches Gutachten und richterliche Befragungen über intime Themen durchlaufen. „Eine massive Grenzüberschreitung in die Privatsphäre“, wie Ganserer findet, die das Verfahren verweigert. Psychologen hätten nicht zu beurteilen, ob sie eine Frau sei.
Das Gesetz stammt aus den 80ern. 2011 verwarf das Verfassungsgericht einen Teil. Bis dato war eine OP oder Sterilisation notwendig, um den Personenstand zu ändern. „Das Transsexuellengesetz verstößt gegen die Menschenwürde und das Recht auf Selbstbestimmung. Die Politik muss ihre Hausaufgaben machen und verfassungswidrige Gesetze reformieren“, appelliert Ganserer. Bereits 2006 rief der Europarat die Mitgliedsstaaten dazu auf, das Gesetz zu ändern. Nach Malta, Dänemark und anderen Ländern gab es nun auch im eher konservativen Spanien eine Reform.
Neben der rechtlichen Gleichstellung möchte sie auch für mehr Toleranz und Vielfalt kämpfen. „Akzeptanz kann nicht im Bundestag beschlossen werden“, sagt Ganserer: „Da gehört auch jede Menge Aufklärung dazu.“