Vom Manager zum Pfleger

von Redaktion

VON ANDREAS BESCHORNER

Neufahrn – Martin Krampfl hat beruflich seine Erfüllung gefunden. Ausgerechnet in einem Beruf, für den es immer schwerer wird, Nachwuchs zu finden. Der 58-Jährige ist seit Kurzem ausgebildeter Altenpfleger. Er arbeitet in der Sozialstation Neufahrn im Landkreis Freising im ambulanten Dienst. Hinter ihm liegt ein außergewöhnlicher Lebensweg.

Als junger Mensch hatte sich der gebürtige Niederbayer für eine Karriere in der Finanzwelt entschieden. Nach dem Abitur begann er ein BWL-Studium. Er war im Handel und in der Industrie tätig. Neue Angebote kamen häufig, Bayern wollte er aber nie verlassen. „Ich brauche meine Berge und Seen“, sagt er. Bei den Firmen, für die er arbeitete, war er für den strategischen Finanzbereich zuständig. Schließlich landete er als Chief Financial Officer bei einem japanischen Brillenhersteller.

Doch dann kam dieser eine Tag. Bei der Fahrt zur Arbeit wusste er auf einmal: „Das ist nicht das, was ich will.“ Die Regeln in der Wirtschaft sind ihm „zu schmutzig“, es geht ihm zu sehr ums Tricksen und Täuschen. Er wollte nicht länger mit Menschen in Nadelstreifenanzügen zu tun haben. Also wagte er einen Neuanfang. Als Unternehmensberater und Immobilienmakler machte er sich selbstständig, verdiente sich dabei einen „bescheidenen Wohlstand“, wie er sagt. Doch als auch dort die Geschäfte härter wurden, kam Krampfl wieder an diesen Punkt, an dem er nachdenklich wurde und sich fragte, ob er den richtigen Beruf hat.

Rund 20 Jahre hatte er Entwicklungsprojekte wie Krankenhäuser und Schulen in Indien unterstützt. 2015 machte er seinen Laden dicht, erzählt er. Er nahm Kontakt zur Lebenshilfe auf, für die er schon zuvor Menschen mit Behinderung gefahren hatte. Für Krampfl stand fest: Er will Altenpfleger werden.

Er begann als Pflegehelfer in einer Tagesförderstätte in München, wechselte dann in ein privates Pflegeheim in Garching. Die Personalknappheit im stationären Bereich brachte ihn an seine Grenzen. Also wechselte er noch einmal – nach Freising zur Heiliggeistspital-Stiftung in die ambulante Pflege. 2018 beschloss er, eine Ausbildung zum Pfleger zu machen. Er besuchte die Schwesternschule des BRK in Erding. „Dort war ich der Klassenopa.“ Als die Belastungen auch in der Freisinger Einrichtung zu groß wurden, wechselte er im April vergangenen Jahres zur Neufahrner Sozialstation. Die Einrichtung wird von der Gemeinde und den Kirchen getragen. „Hier steht das Soziale im Vordergrund“, sagt Krampfl. Es werde nicht nach Minuten abgerechnet. Endlich kann er sich für seine Patienten etwas mehr Zeit nehmen. Zum Beispiel, als eine pflegebedürftige Frau ihren Mann verlor. Sie hatte sogar Selbstmordgedanken, erzählt er. Schnell merkte er, dass die ambulante Pflege sein Ding ist.

Die Arbeit als Pfleger sei befriedigend, sagt er. Er hat einen guten Kontakt zu seinen Patienten. Dass er nun weniger verdient als in seinem früheren Beruf in der Wirtschaft, ist für Krampfl kein Problem. „Ich habe etwas vorgesorgt. Außerdem bin ich ein genügsamer Mensch“, sagt er. Trotzdem ist er natürlich stolz, dass er seine Ausbildung mit der Note 1,0 abgeschlossen und dafür sogar einen Staatspreis erhalten hat. Mit dem Preis bekam er 75 Euro. Er hat sie nach Indien gespendet. Genau wie seine Ausbildungskollegen.

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