Kehrtwende: Behörden ermitteln jetzt doch gegen Neonazis

von Redaktion

Würzburg/München – Drei Strohpuppen unter Planen, beschmiert mit Kunstblut, davor ein Plakat mit den Fotos der drei Kanzlerkandidaten und im Hintergrund die Parole „Volksverräter“ – so martialisch demonstrierte die neonazistische Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ mit 20 Sympathisanten am Samstag in der Würzburger Innenstadt. Offiziell richtete sich die Demo der Neonazis gegen den Messerangriff Ende Juni in Würzburg, bei dem ein Somalier drei Menschen getötet und mehrere schwer verletzt hatte. Doch war die Inszenierung offenkundig doppeldeutig. Sie erregte in Würzburg beträchtliches Aufsehen – an einer Gegendemo gegen den „Dritten Weg“ nahmen bis zu 300 Personen teil. Auch im Internet war die Empörung groß – und es wurde die Frage laut, warum die Behörden nicht gegen so etwas einschritten. „Was kommt als Nächstes“, fragte auf Twitter entsetzt der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz.

In der Tat hatten sich am Samstag auch die Polizei und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft die Demo angesehen. Sie waren aber zur Auffassung gelangt, dass die Inszenierung „keinen strafrechtlichen Tatbestand“ erfülle.

Diese Einschätzung wollte das bayerische Justizministerium am Montag nicht kommentieren. Sie wurde jedoch öffentlich kontrovers diskutiert. Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter, ein Experte für Rechtsextremismus, kündigte eine Initiative im Parlament an. „Warum die Polizei nicht eingegriffen hat, werde ich im Landtag klären lassen.“

Am Montag ruderte die Staatsanwaltschaft Würzburg zurück. „Mittlerweile liegen mehrere Anzeigen vor“, teilte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach auf Anfrage mit. Diese würden nun näher geprüft. „In Betracht kommt insbesondere der Tatbestand der Volksverhetzung sowie der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten.“

Die rechtsextreme Splitterpartei hat in Bayern laut Verfassungsschutzbericht gerade einmal 160 Mitglieder. Zuletzt erregte sie Aufsehen, weil sie gegen den Fußballverein Türkgücü München hetzte. Zudem erregten ihre Plakate mit der Aufschrift „Hängt die Grünen!“ Aufsehen. In Ostdeutschland blieb das folgenlos – das Verwaltungsgericht Chemnitz entschied, dass die Plakate hängen bleiben dürfen, sofern sie 100 Meter von Plakaten der Grünen entfernt sind. Dagegen läuft eine Beschwerde der Stadt Zwickau. In Bayern hatte die Polizei derartige Plakate nach Protesten abgehängt. Das Landgericht München I bestätigte nun diese Entscheidung. Dem „Dritten Weg“ sei auf Antrag der Grünen-Bundesgeschäftsstelle in Berlin per einstweiliger Verfügung untersagt worden, den Slogan öffentlich zu verwenden.

Die Grünen begrüßten das. „Wer Morddrohungen plakatiert, verhöhnt unsere Demokratie“, kommentierte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner das Urteil. DIRK WALTER

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