Mit dem Zug nach London oder Barcelona

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Der Grünen-Abgeordnete Markus Büchler aus Oberschleißheim ist Bahnexperte seiner Fraktion. Vielleicht ist es sein Faible für die Bahn, das ihn schon vor Jahren zu einem Experiment verleitete: Er wollte Freunde in Barcelona besuchen – mit dem Zug. Bestimmt schon zehn Mal hat er seitdem die Reise auf sich genommen, sagt Büchler.

Es ist aber etwas kompliziert. Wer heute auf dem Portal bahn.de die Verbindung München–Barcelona eingibt, wird für bekloppt erklärt. Eine Verbindung startet um 0.01 Uhr ab München Hbf, man soll vier Mal umsteigen, das erste Mal schon um 3.30 Uhr in Karlsruhe. Das liegt auch daran, dass die Deutsche Bahn einen umständlichen Weg sucht – über Basel und Montpellier. Insgesamt dauert die Reise über 16 Stunden.

Schneller geht es über Paris, erklärt Büchler. Der TGV startet in München täglich um Viertel vor sieben. In Paris muss man allerdings den Bahnhof wechseln, die Züge kommen in Paris Est, die nach Barcelona Sants starten nur 800 Meter entfernt vom Gare de Lyon. „Das geht aber gut an einem Tag, sogar ein Mittagessen in Paris ist eigentlich immer drin“, sagt Büchler. Ankunft abends um 20 Uhr.

Derzeit allerdings ist die Reise schwieriger – die französische SNCF hat den Fahrplan ausgedünnt auf zwei Fahrten täglich ab Paris, die so früh starten, dass man sie unmöglich am selben Tag ab München erreichen kann. Immerhin: Ab Dezember gibt es einen Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) nach Paris. Problem gelöst.

Doch man sieht: Bahnfahren ins europäische Ausland ist im Moment eher etwas für Freaks. Um den Flugverkehr wirklich großflächig Konkurrenz zu machen, schlagen die Grünen den Ausbau eines europäischen Nachtzugnetzes vor. 40 Linien, die europaweit 200 Städte verbinden würden, sind in einem Konzept der Grünen-Bundestagsfraktion vom August mit dem Titel „Euro Night Sprinter – Netzvision 2030+“ vorgesehen. Durch die Reise in der Nacht werde die lange Fahrzeit erträglich – auch Barcelona wäre so wieder anfahrbar. Aber nicht nur das: „So werden auch Urlaubsinseln wie Mallorca, Korsika, Sizilien oder Santorin per Nachtzug aus ganz Europa erreichbar“, erklären die Grünen.

Die EU müsse über ihre Eisenbahnagentur ERA die Sache an sich ziehen und die Beschaffung eigener Züge in die Wege leiten. Dazu schlagen die Grünen eine Art Leasing-Modell vor. „Die Züge sollten zu reduzierten Kosten an interessierte Eisenbahnverkehrsunternehmen vermietet werden.“ Außerdem müssten sie bei Reisen nach Spanien, Portugal oder Russland umspurbar sein. Auch eine einheitliche Buchungsplattform wäre sinnvoll.

Die Deutsche Bahn hat ihre Nachtzüge komplett eingestellt. Ein Vorbild sind für den Abgeordneten Büchler aber die ÖBB, die mit ihren Nightjets von München aus nach Hamburg, Verona, Amsterdam und demnächst eben auch nach Paris fahren.

Derzeit werden im Wiener Werk von Siemens-Mobility 33 neue Nightjets gebaut. Ab Dezember 2022 sollen die sieben-teiligen Triebzüge – zwei Sitz-, drei Liege- und zwei Schlafwagen – auf Verbindungen von Österreich und Deutschland nach Italien eingesetzt werden. Büchler hat kürzlich mit einer Delegation von Grünen-Abgeordneten das Werk besichtigt. Er ist begeistert: „Die Züge sind erstklassig, mit Minikabinen für Alleinreisende, WLAN, eigener Toilette in jedem Abteil.“ Er hofft, dass die Nightjets künftig über Verona hinaus fahren, beispielsweise nach Mailand. Auch die DB müsse wieder Nachtzüge einsetzen.

Wer ein Fernziel mit der Bahn ausprobieren will, dem rät Büchler zu London. Das geht auch tagsüber. Abfahrt in München 6.46 Uhr, Umstieg in Paris in den Eurostar um 13.13 Uhr, Ankunft in London St. Pancras 14.39 Uhr englischer Zeit.

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