München – „Wir haben einen Jahresrückgang von minus 61 Prozent zu verkraften“, zieht Winfried Nesensohn, Vorstand im Landesverband Bayern, Bilanz. Das heißt konkret: Statt der eine Million Übernachtungen 2019 – im Übrigen ein Rekord – kamen 2020 gerade mal 390 000 Gäste. Erste Hochrechnungen gehen für das laufende Jahr von einem Minus von 58 Prozent aus. „Wir schätzen, dass wir bis zum Jahresende immerhin auf 450 000 Übernachtungen kommen“, sagt Nesensohn.
Statt 40 Millionen Euro Jahresumsatz (2019) nahm der Verband im vergangenen Jahr 24 Millionen weniger ein. Der Jugendherbergsverband hat mit einem strikten Sparkurs auf diese Entwicklung reagiert. Rücklagen gibt es keine, „weil wir ein gemeinnütziger Verein sind, dürfen wir diese per Gesetz nicht bilden“. Ein großer Teil der über 700 Mitarbeiter wurde während des Lockdowns in Kurzarbeit geschickt, alle Investitionen gestoppt. „Wir haben nur das unbedingt Notwendige saniert.“ Entlassungen konnten somit vermieden werden.
Im Vorfeld der Jahresversammlung am heutigen Freitag übt Nesensohn Kritik am bayerischen Kultusministerium. „Unterstützung hätte uns zum Ende des vergangenen Schuljahres gutgetan“, sagt er. Das Kultusministerium hatte nach den Pfingstferien zwar grundsätzlich Klassenfahrten genehmigt, gleichzeitig aber davon abgeraten. Die Folge: Es kamen kaum Klassen. „Dabei sind solche Schulreisen eine wertvolle Form des sozialen Lernens“, sagt Nesensohn.
Trotzdem blickt der Jugendherbergsverband, der in Bayern 54 der deutschlandweit 400 Jugendherbergen betreibt, positiv in die Zukunft. „Die Schulen kommen zurück.“ Mit der 14. bayerischen Infektionsschutzverordnung sind Klassenfahrten wieder erlaubt, die Jugendherbergen haben ein Hygienekonzept für sichere Fahrten erarbeitet. Nesensohn stellt aber fest, dass derzeit noch wenig Grundschulen unterwegs sind. „Den überwiegenden Anteil machen die Sekundarstufen aus.“
Die Alpenregion wird stark nachgefragt, die Jugendherbergen in Garmisch-Partenkirchen, Oberstdorf und Berchtesgaden sind in den Wintermonaten bereits sehr gut gebucht. Auch die Sommermonate seien dort sehr gefragt. Auch bei den Städten sei die Buchungsentwicklung erfreulich. Wobei München Nürnberg hinterherhinkt. Das hänge aber damit zusammen, dass die Jugendherberge in Nürnberg „außergewöhnlich attraktiv“ sei. Die Jugendherberge dort ist nicht nur eine der modernsten Jugendherbergen, sie ist zudem in der alten Burganlage untergebracht. „Das zieht.“
2026 feiert der bayerische Jugendherbergsverband sein 100-jähriges Bestehen. Das Jubiläum will Nesensohn zum Anlass nehmen, sich über neue Konzepte Gedanken zu machen. „Wir arbeiten an jüngeren Angeboten.“ Interaktive Programme für junge Erwachsene seien die Zukunft. Außerdem reagiert man in den Häusern auf die gestiegene Nachfrage nach Nachhaltigkeit: „Wir setzen überwiegend auf regionale Verpflegung. Wo es möglich ist, auch auf Bio-Produkte.“ Die Resonanz sei bei der jüngeren Zielgruppe durchweg positiv. Auch was die Ausstattung der Zimmer angeht, tut sich etwas. Gemeinschaftsduschen auf dem Gang sind nicht mehr zeitgemäß. „Wenn möglich bauen wir um.“ Das freut insbesondere die Familien. „Je älter die Gäste, desto höher die Erwartungen. 2022 wird ein Übergangsjahr – „wenn nichts mehr passiert“.
Nesensohn rechnet mit 80 Prozent der Übernachtungen im Vergleich zum Rekordjahr 2019.