München/Frankfurt – Der ICE von München nach Frankfurt ist gestern mehr ein Bummel- als ein Express-Zug. Als Hans Tremmel, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum München und Freising, am Donnerstag nach Frankfurt zur zweiten Versammlung des Reformprozesses „Synodaler Weg“ reist, kommt er mit deutlicher Verspätung in der Bankenmetropole an. Schlechtes Omen für die Synodalversammlung, die schon im Vorfeld für heftige Debatten und Streit gesorgt hat?
„Ich gehe verhalten optimistisch auf dem Weg weiter“, sagt der Diözesanratsvorsitzende tapfer. „Dass es kein Sprint, sondern ein mühsamer Marathon werden würde, war allen Beteiligten klar.“ Und er fügt etwas entnervt hinzu: „Aber inzwischen ist der Aufbruchsschwung der ersten Synodalversammlung doch ziemlich erlahmt.“ Das liege nur zu einem kleineren Teil an der Corona-Pandemie. Die jüngsten Personalentscheidungen des Papstes, der den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und zwei seiner Weihbischöfe ebenso im Amt beließ wie den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, haben die Reformwilligen verstimmt. Aber auch das „ablehnende Papier der Glaubenskongregation zu den Segensfeiern für Homosexuelle und nicht zuletzt die andauernden Querschüsse gegen den gemeinsam beschlossenen Synodalen Weg von einer sehr lautstarken Minderheit zermürben viele Hochengagierte und lösen Frust und Verärgerung aus“, zählt der Theologe auf. Viel Lebenszeit haben die Teilnehmer in den Reformprozess investiert. Wenn dann wieder nichts dabei herauskommt, so wie beim Dialogprozess zwischen 2011 und 2015, dann dürfte der Frust noch stärker werden. Für Tremmel wäre das Vorhaben gescheitert, wenn „die Botschaft Jesu Christi und unsere Glaubwürdigkeit endgültig der Macht und der ideologischen Rechthaberei geopfert werden würden“. Und wenn wieder nichts entschieden oder wenigstens auf den Weg gebracht würde, „obwohl wir die Zeichen der Zeit längst erkannt haben“. Gerade im Hinblick auf die Opfer von sexualisierter Gewalt fände er das „entsetzlich“. Allem Frust zum Trotz will Tremmel nicht von der letzten Chance für die katholische Kirche sprechen. Diese Formulierung hält er für überhöht. „Aber meine persönliche Frustrationstoleranz ist endlich. Dafür habe ich mich in den letzten Jahren in zu vielen Prozessen mit enormem Zeitaufwand und einer Menge Herzblut engagiert.“
Tremmel gibt die Hoffnung nicht auf. Mut macht ihm unter anderem der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Dieser hatte davor gewarnt, die Probleme der Kirche einfach auszusitzen. Bätzing zitierte den tschechischen Religionssoziologen Tomas Halik: „Das große Schiff des traditionellen Christentums von gestern sinkt zugrunde. Und wir sollten die Zeit nicht damit verlieren, die Liegestühle auf der Titanic hin und her zu schieben.“ Bätzing und viele andere Bischöfe haben laut Tremmel den Ernst der Lage wirklich verstanden und wollten echte Reformen einleiten. „Jammern bringt uns nicht weiter“, stellt er klar. „Also schlage ich vor: Marschieren wir gemeinsam weiter mit Mut, starkem Willen und Zuversicht.“ Es gebe keine Alternative, wenn man die Kirche in eine gute Zukunft führen wolle.
Dass in der Bischofskonferenz strittig diskutiert werde, räumt Bätzing zu Beginn auch ein. Doch er findet das sogar gut, denn das zeige: „Hier geht es um etwas.“ Und zwar um Beschlüsse, die das kirchliche Leben verändern werden. Zugleich hat Bätzing die Kritik des konservativen Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer am Reformprozess scharf zurückgewiesen.
Ohne Voderholzer namentlich zu nennen, sagte er: „Von Instrumentalisierung des Missbrauchs zu sprechen, wenn wir uns hier an die Aufgabe heranmachen, die Situation der Kirche in unserem Land so zu verändern, dass Menschen in unserem Land uns wieder vertrauen, das, finde ich, ist eine sehr unerlaubte, sehr anmaßende Stellungnahme, und sie wird insbesondere den Betroffenen nicht gerecht, denn der Missbrauch und seine systemischen Faktoren in der katholischen Kirche sind der Anlass, diesen Weg zu gehen.“
Voderholzer hatte zuvor kritisiert, die Reformer in der Kirche würden den Missbrauchsskandal für eine „Umgestaltung der katholischen Kirche nach dem Vorbild evangelischer Kirchenordnungen“ instrumentalisieren.