München – Der Rückgang der Schülerzahlen an den bayerischen Mittelschulen sorgt beim Lehrerverband BLLV für Alarmstimmung. An den Mittelschulen sei auch ein eklatanter Lehrermangel zu bemerken, sagte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann. Sie zog drei Wochen nach dem Schulstart eine düstere Zwischenbilanz – ganz anders als Kultusminister Michael Piazolo (FW).
Die Alarmstimmung des BLLV ist zum Teil auf die Corona-Politik zurückzuführen. Der stellvertretende BLLV-Chef Tomi Neckov, der eine Mittelschule in Schweinfurt leitet, berichtete über Schreiben des Kultusministeriums mit Anleitungen zur geänderten Corona-Politik mit einem Gesamtumfang von 485 Seiten – allein im September. Auch die Umstellung auf Pool-PCR-Tests an den Grundschulen laufe beileibe nicht überall glatt. Während Schulminister Piazolo („Wir sind gut in das neue Schuljahr gestartet“) berichtete, 90 Prozent der Schulen hätten auf das „sehr einfach handhabbare Verfahren“ umgestellt, gab Neckov niederschmetterende Erfahrungen einer Schulleiterin wider. Diese sei erst abends um 21.15 Uhr über einen infizierten Schüler informiert worden – und habe am nächsten Tag kurz vor 13 Uhr dann die Nachricht erhalten, der Test sei „falsch positiv“ gewesen. Eine ganze Klasse sei hektisch – aber letztlich nutzlos – in Quarantäne geschickt worden. Die Schulen kämpften mit einem „Bürokratie-Schlamassel“, bilanzierte Neckov.
Ungeachtet der aktuellen Corona-Politik sieht der BLLV mehrere Langzeitprobleme der Schulpolitik. Eines davon ist die offenbar prekäre Lage der Mittelschulen, die im aktuellen Schuljahr 4500 Schüler verloren haben (wir berichteten). Der BLLV warnt unter anderem vor fehlenden Lehrern. Spezielle Angebote wie Vorbereitungs- oder Praxisklassen würden seltener angeboten und Klassen auf bis zu 30 Schüler aufgestockt. Auch Fachunterricht wie Ernährung und Gestaltung falle teils aus, teils gebe es mehr Kinder als Arbeitsplätze. Alarmierend findet BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann, dass zum letzten Wintersemester die Zahl der Studienanfänger für das Lehramt an Mittelschulen um 54 Prozent eingebrochen sei. Der Lehrermangel sei absehbar. Ohnehin steht in vielen Klassen laut BLLV heute schon fachfremdes Personal wie Ergotherapeuten, Opernsängerinnen oder Theologen mit Bachelor-Abschluss – und diese müssten auch Hauptfächer unterrichten. Das dürften nur Notlösungen sein. Eine Aussage des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der auf anhaltende Lehrer-Einstellungen („so viele Lehrer wie nie zuvor“) verwiesen habe, nannte Fleischmann „Schönfärberei“. Das Kartenhaus sei am Zusammenbrechen.
Initiativen wie die der Freien Wähler, die die Krise der 960 bayerischen Mittelschulen mit einem (bisher nicht näher erklärten) Konzept einer „Macherschule“ begegnen wollen, sieht Fleischmann skeptisch. Sie nehme den FW ab, dass sie sich ehrlich um die Mittelschule bemühen. Aber erste Vorschläge wie etwa die Bildung jahrgangsübergreifender Klassen (was es bisher nur in der Grundschule gibt) seien problematische „Rettungsanker“. DIRK WALTER