Vermisstes Mädchen bei „Zwölf Stämmen“?

von Redaktion

VON JOHANNES WELTE UND ULF VOGLER

Holzheim – Wo ist Shalomah? Am Samstag ist das elfjährige Mädchen vom Joggen nicht mehr zurückgekehrt. Ihre Pflegeeltern aus Holzheim (Landkreis Dillingen) erstatteten Anzeige. Offenbar wurde Shalomah von der Sekte entführt, der man das Kind weggenommen hatte – den zwölf Stämmen, die 2000 bis 2017 im nahen Klosterzimmern lebten und dann nach Tschechien zogen.

Rund 100 Einsatzkräfte hatten in der Gegend nach dem Kind gesucht. Offenbar hält sich das Mädchen in Tschechien auf. Es sei bei dem Pflegevater der Schülerin eine E-Mail eines Absenders eingegangen, der mutmaßlich der Sekte zuzuordnen sei, berichtete das Polizeipräsidium in Augsburg gestern. Darin steht offenbar, sie befinde sich bei den Eltern und es gehe ihr gut. „Dem gehen wir nach“, sagte ein Polizeisprecher. Es müsse aber auch noch überprüft werden, ob die Mail authentisch ist.

Das Polizeipräsidium in Cheb (Eger) teilte mit, man sei von den deutschen Kollegen um Zusammenarbeit bei der Fahndung nach der Elfjährigen gebeten worden. Auf dieser Grundlage habe man einen möglichen Aufenthaltsort des Mädchens in der Stadt Skalna in der Verwaltungsregion Karlsbad (Karlovy Vary) überprüft. „Die Polizisten stellten vor Ort fest, dass sich das vermisste Mädchen nicht dort befindet.“ In Skalna befindet sich eine der zwei Gemeinschaften der „Zwölf Stämme“, die andere ist in Msecké Zehrovice bei Prag.

Im September 2013 hatten die Behörden wegen der Prügelvorwürfe gegen die Sekte 40 Buben und Mädchen in Klosterzimmern bei Deiningen (Landkreis Donau-Ries) abgeholt, wo die Sekte damals neben dem mittelfränkischen Wörnitz ihren Sitz hatte. Auch Shalomah befand sich unter diesen Kindern. Laut Landratsamt Dillingen hatte das Mädchen aber „unregelmäßigen Kontakt“ zu seinen Eltern. Es gab mehrere Strafverfahren gegen die Sekte – eine Erzieherin wurde zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt. Die Sekte hatte sich auch geweigert, ihre Kinder in die Schule zu schicken.

Die leiblichen Eltern gingen gegen den Sorgerechtsentzug vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied 2018, dass die Entscheidungen deutscher Familiengerichte zulässig waren. In Bayern war der Sekte auch der Betrieb einer eigenen Privatschule für die Kinder untersagt worden. Die 1970 in den USA gegründeten „Zwölf Stämme“ sehen sich als Urchristen. Weltweit leben etwas 2000 ihrer Anhänger in Kommunen, sie lehnen die Evolutionstheorie und die Sexualkunde ab. Körperliche Züchtigungen werden aus der Bibel abgeleitet.

Artikel 10 von 11