Täter gesteht: „Ich erhielt 700 € Provision“

von Redaktion

VON ANDREAS THIEME

München – Er redet viel und hastig. Doch was man dem Angeklagten Hamdi M. (45) glauben kann und was nicht, das zweifelte Richter Bernhard Geismar schon zu Beginn des Prozesses an, der seit gestern an der 12. Strafkammer des Landgerichts läuft.

Dort muss sich der gebürtige Türke wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs verantworten. In insgesamt sieben Fällen soll Hamdi M. als Teil einer Bande von Callcenter-Betrügern Senioren abgezockt haben. Der Schaden beläuft sich auf insgesamt 290 000 Euro. Zumindest der finanzielle. „Die Folgen dieser Taten können für die Opfer erheblich sein. Materiell und auch gesundheitlich“, sagt Justizminister Georg Eisenreich (50, CSU). „Es drohen in der Folge Angstzu-stände und Depressionen. Viele Betroffene bringen die Taten auch aus Scham oder anhaltender Gutgläubigkeit nicht zur Anzeige.“ Teilweise ist es auch schon zu Selbstmordversuchen gekommen, so groß ist die Scham der Betroffenen. Denn sie verlieren oft ihr gesamtes Vermögen.

„Nicht auszudenken, wenn man in so einer misslichen Situation noch ein Umfeld hat, das einem Vorwürfe macht“, sagt Ruth L. (66, Name geändert) aus Moosach. Auch sie wurde Opfer der Betrugsmasche und sagte gestern gegen Hamdi M. vor Gericht aus.

Am 27. Oktober 2020 hatte die Seniorin abends einen Anruf erhalten – angeblich von der Kriminalpolizei. „Es hieß, in meiner Nachbarschaft seien ältere alleinstehende Damen überfallen worden. Von einer internationalen Bande, die nicht zimperlich sind.“ Angeblich sei Ruth L. in großer Gefahr, gaukelte der Anrufer vor. Denn zwei Einbrecher seien gefasst, aber zwei weitere noch frei. Ruth L., so der weitere Verlauf der Geschichte, stehe bei ihnen auf der Liste: „Noch heute Nacht sollte bei mir angeblich eingebrochen werden.“ Die Masche der sogenannten falschen Polizisten kannte die Moosacher Seniorin bis dahin noch nicht. Kein Wunder also, dass sie Angst bekam und nicht sofort auflegte, wie es die Polizei immer wieder empfiehlt.

„Die Anrufer waren hochprofessionell“, schildert Ruth L. Mehrfach wurde sie verbunden und sogar aufgefordert, einen Kommissar zurückzurufen. Dass sie über eine Fangschaltung wieder nur die Betrüger erreichte, ahnte sie nicht. So gelang es, die Drohkulisse über Stunden hinweg und schließlich sogar noch die ganze Nacht aufrechtzuerhalten. „Der Druck war immens. Man wird in Angst versetzt und isoliert“, sagt Ruth L. Morgens schließlich holte sie auf Anweisung der falschen Polizisten insgesamt 48 000 Euro aus ihrem Bankschließfach und deponierte es in einer Tasche vor ihrer Haustür. Ein Beamter wollte es dort abholen, um das Geld zu sichern – natürlich eine Lüge. Doch die echte Polizei konnte Hamdi M. (45) auf frischer Tat fassen, als er das Geld abholen wollte. Ihm drohen jetzt bis zu sechs Jahre Haft trotz Teilgeständnis.

Bei den ersten vier Fällen in Planegg, Feldafing, Freising und Meckenbeuren „habe ich noch nichts von der Betrugsmasche gewusst“, behauptet Hamdi M. Er sei „nur der Kurier“ gewesen und kassierte 500 und 700 Euro Provision dafür, dass er die Tatbeute nach Bremen oder Berlin brachte – später floss es an Hintermänner in der Türkei. Bei den Ermittlungen stellte sich aber heraus, dass M. auch telefonisch mit Bandenbossen in Kontakt stand. „Im Gefängnis bin ich schlauer geworden“, sagt Hamdi M. Es ist eine späte Erkenntnis.

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