Garmisch-Partenkirchen – Reinhard Rauch steigt in seine Pistenraupe, die Sonne bricht durch die Wolken, Kinder rutschen auf Schlitten lachend einen Hang hinunter. Die Sicht hier oben auf der Zugspitze reicht heute bis in den Chiemgau. Es ist einer dieser Tage, an dem auch für langjährige Pistenraupenfahrer wie ihn die alltägliche Normalität eine kleine Sensation ist. So wie Rauch geht es gerade fast allen Mitarbeitern oben auf Deutschlands höchstem Gipfel. Normalität gab es im vergangenen Corona-Winter nicht. Nun laufen die Vorbereitungen für die neue Skisaison auf vollen Touren – die Vorfreude ist riesengroß.
Kein Wunder, denn Bayerns Skigebiete waren anderthalb Jahre lang dicht. Im vergangenen Winter gab es keinen einzigen Skitag. Obwohl sich die Gebiete von Monat zu Monat aufs Neue für eine Öffnung gerüstet hatten. Alle vier Wochen wurde eine neue Verordnung erlassen, berichtet Verena Altenhofen, Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn. „Wir mussten die Pisten immer präparieren, um schnell öffnen zu können.“ Die Mitarbeiter auf der Zugspitze brachten Schilder zu den Hygieneregeln an. Mehrmals mussten sie überarbeitet werden. Doch alle Bemühungen waren umsonst. Sieben Monate lang war die Zugspitze völlig verwaist. Es war ein Traumwinter mit Traumschnee – nur ohne Skifahrer.
Seit einigen Wochen schieben die Pistenraupenfahrer wieder den Altschnee über die Pisten. An einigen Bahnen laufen noch Wartungsarbeiten. Küchenchef Günter Bürger und sein Team stehen endlich wieder vor dampfenden Töpfen und Pfannen. Vier Ochsen werden in den nächsten Tagen angeliefert, die zu Rouladen oder Burger-Patties verarbeitet werden müssen. „Wir bereiten 1,6 Tonnen Blaukraut vor und eine Tonne Bayerisch Kraut“, sagt Bürger. Auch er kann die Vorfreude, bald endlich wieder Skifahrer bewirten zu können, kaum verbergen. Im vergangenen Jahr waren alle seine Mitarbeiter in Kurzarbeit – genau wie die meisten anderen Angestellten auf der Zugspitze. Finanziell konnte die Zugspitzbahn den Millionen-Ausfall nur dank der Rücklagen ausgleichen.
In diesem Winter starten sie voller Optimismus. Aber ohne zu wissen, welche Regeln auf sie zukommen. „Wir gehen davon aus, dass es keinen Lockdown mehr geben wird“, sagt Altenhofen. „Für alles andere wären wir vorbereitet.“ Sie rechnet eher mit einer 3G-, als einer 2G-Regelung. Für die Organisation der Kontrollen würde das keinen großen Unterschied machen. Security-Personal wird dabei helfen. „Damit das Kontrollieren zügig geht und sich an den Liften möglichst wenig Menschentrauben bilden.“
Obwohl es wieder eine Saison mit vielen Fragezeichen wird, hat der Verkauf der Saisonkarten in den bayerischen Skigebieten bereits begonnen. Zum Start am 19. November gilt die 3G-Regel, erklärt Altenhofen. Die aktuelle Verordnung läuft allerdings am 24. November aus. Welche Regeln dann gelten werden, weiß aktuell niemand. „Wir haben die AGBs der Saisonkarten so angepasst, dass die Karten auch bei einer Änderung der Regeln nicht zurückerstattet werden“, erklärt die Sprecherin der Zugspitzbahn. Genauso handhabt das der Alpenplus-Verbund, zu dem die Skigebiete Sudelfeld, Spitzingsee, Wallberg und Brauneck gehören. Sollten die Lifte ihren Betrieb pandemie-bedingt noch mal komplett einstellen, wollen die Alpenplus-Partner den Saisonkarten-Besitzern für diese Monate aber 25 Prozent des Kaufpreises zurückzahlen.
Noch sei es zu früh, um zu sagen, ob wegen der Unsicherheit weniger Saisonkarten verkauft werden, berichtet Altenhofen. „Wir bekommen etliche Anfragen, können aber aktuell einfach noch nicht sagen, wie das Skifahren in diesem Winter aussehen wird.“
Auch wie genau die Kontrollen ablaufen werden, kann sie noch nicht erklären. Die Verordnung sieht ein „bestmögliches Kontrollieren“ vor – sehr vage und eine Auslegungssache, sagt Altenhofen. Sie geht davon aus, dass für alle Skigebiete individuelle Lösungen gefunden werden müssen, weil die Bedingungen überall sehr unterschiedlich sind. Eine finale Lösung gibt es noch nicht, betont sie. Um dieses Problem zu lösen, bleiben noch zwei Wochen. Dann werden die ersten Lifte wieder fahren.