Der November stellt einen der unbeliebtesten Monate des Jahres dar. Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Toten- bzw. Ewigkeitssonntag, alles mit Gräbergängen, Blumengestecken, Kranzniederlegungen und Gottesdiensten. Dazwischen noch Buß- und Bettag. Bestenfalls der St. Martins-Tag sorgt mit seinen Laternenumzügen ein wenig für lichte Heiterkeit im Dunkeln.
Die Missachtung des November ist eine unverdiente. Wer das Leben kennt, der weiß um den Tod. Weiß, dass es klug macht, wenn Menschen bedenken, dass sie und ihre Liebsten sterben werden. Totengedenken steht für eine weise ritualisierte Kultur der Trauer und Erinnerung. Wo sie nicht gepflegt wird, machen sich auf Dauer Unsicherheit im Umgang mit dem Lebensende, den Dahinscheidenden und mit seelischem Leid, mit Trauer breit.
Eine Freundin hat kürzlich ihren Mann verloren. Schwer krank lag er mit der Diagnose „austherapiert“ im Bett, zu Hause. Die Pfarrerin kam, um mit dem Sterbenden und seiner Frau zu sprechen, um einen behutsamen „Reisesegen“ zu erteilen. Nach dem Tod des so Gesegneten konnten die erwachsenen Kinder und Schwiegerkinder wiederkommen, die Pfarrerin segnete den Toten liebevoll, bevor der Leichnam geholt wurde.
Nachbarn kamen zwischendurch, um Blumen oder stärkendes Essen abzugeben. Sie machten Hilfsangebote. Zum Trauergottesdienst versammelten sich Familie und Freunde, ehemalige Weggefährten, alle, die à Dieu sagen und dem Verstorbenen die letzte Ehre geben wollten. Anschließend gab es den „Leichenschmaus“, bei dem man sich erinnerte, Geschichten erzählte, lachte, ein wenig kicherte und weinte.
Bei der Urnenbeisetzung waren Angehörige und Pfarrerin erneut zusammen. Ein langer Weg, der längst noch nicht zu Ende gegangen ist. Die, die ihn gemeinsam gehen, spüren die eigene Endlichkeit und erfahren umso mehr, wie kostbar das Dasein ist.
Warum also nicht die Uhren anhalten, Spiegel verhängen und Fenster öffnen? Oder unter www.gedenkenswert.de ein zeitgemäß anhaltendes Zeichen des Gedenkens setzen?
Eine Kultur der Trauer und der Erinnerung braucht Gesten, Zeichen, Symbole und Riten. Um sich und anderen zu verdeutlichen, um zu begreifen, was geschehen ist.
Die Zeit bleibt stehen, Äußerlichkeiten spielen keine Rolle mehr, die Seele braucht freie Bahn in die Ewigkeit. Aber Trauer ist auch eine Überlebensfrage – für Einzelne und die ganze Gesellschaft. Weil sie lehrt, dass das Leben endlich kostbar ist. Willkommen, November.
* Susanne Breit-Keßler ist Vorsitzende des Bayerischen Ethikrates