St.Martin – Josef Pingold, 82, steht in St. Martin im Nürnberger Land und lächelt. Der emeritierte Pfarrer ist auf den Hof seiner verstorbenen Schwester gefahren. Er blickt auf das Denkmal vor dem Haus, das er zu Ehren des Heiligen Martin vor 55 Jahren anfertigen ließ. Der Gedenkstein ist auf eine Säule aus roten Backsteinziegeln geschlagen. Die Skulptur zeigt einen Mann, ein Pferd, ein Schwert und einen Mann, der am Boden liegt.
Pingold streicht über das Relief, das die bekannte Szene der Mantelteilung zeigt. „Ich wollte ein Zeichen für St. Martin setzen, damit dieser Ort nicht umsonst so heißt.“ Er dreht sich zu einem Ortsschild mit der Aufschrift „St. Martin“ um. Der rund 3000 Quadratmeter große Weiler liegt auf dem Bergrücken zwischen dem Haunachtal und dem Röttenbachtal in der fränkischen Schweiz und ist Teil der Gemeinde Simmeldorf.
„Der Ort St. Martin hat mich schon immer interessiert. Mitten im Nirgendwo gibt einen Hof, der so heißt, aber keine Anzeichen mehr für den Heiligen.“ Dann heiratete Pingolds Schwester den Hofbesitzer, dessen Familie schon seit über 200 Jahren im Besitz des St.-Martins-Anwesens war. Die Hochzeit nahm Pfarrer Pingold als Anlass für die Errichtung des Gedenksteins. „Mein Schwager war begeistert. Auch er wollte, dass wieder etwas an diesen Ort an den heiligen Martin erinnert.“ Er übernahm die Kosten und hat die Säule gebaut“, erzählt Pingold und zeigt auf Risse im unteren Teil des Gedenksteins, an dessen Stelle der Mörtel heraus ausgeflossen ist. „Er war kein Fachmann.“
Das Denkmal an St. Martin war also errichtet, doch die Frage, was der Ort ursprünglich mit dem Heiligen zu tun hatte, blieb nach wie vor ungeklärt. Josef Pingold begab sich auf Spurensuche, was nicht einfach war. Vieles wurde damals nur mündlich überliefert. Doch der ehemalige Pfarrer kam an eine Ortschronik. „Im Mittelalter und der Neuzeit stand hier eine stattliches Kirche“, berichtet er. Es gab sogar einen Mönch, der einmal in der Woche eine Messe las. „Das war eine lebendige Seelsorgestelle. Aber die Kapelle ist im Zuge der Reformation verfallen. Keiner hat sich mehr darum gekümmert.“
Vor 18 Jahren bekam St. Martin schließlich wieder ein Gotteshaus. Zwar keine Martinskirche, aber eine Martinskapelle – „da Mirta“, wie die Einheimischen sie nennen. Pingolds Schwester, die nach dem Tod ihres Mannes 20 Jahre allein in St. Martin lebte, ließ sie erbauen. „Es hat ihr viel bedeutet, dass die Kapelle neu errichtet wird.“
Auf dem Holz-Altar stehen acht Kerzen, eine Marienfigur und ein Blumen-Gesteck. Auf einem Sockel steht eine weitere Figur – ein gegeißelter Jesus. „Meine Schwester hatte so ihre eigene Idee mit der Kapelle“, meint Pingold. Um doch noch etwas von St. Martin zu überliefern, ließ Pingold ein Fensterbild des Heiligen anfertigen. „Ich wollte Martin in der Kapelle haben.“ Dafür übernahm er auch die Kosten.
Als Pingolds Schwester vor eineinhalb Jahren starb, verlor St. Martin seine letze Bewohnerin. Mittlerweile hat Pingold einen neuen Besitzer für den Hof seiner Schwester gefunden: Das Anwesen bleibt in der Familie. Bis wieder Leben in St. Martin einkehrt, wird es aber noch ein paar Jahre dauern. Bis dahin ist der heilige Martin allein in St. Martin. VERENA MÖCKL