Verwirrung um die Booster-Impfung

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München/Gauting – Alfons Schweiggert hatte sich ordnungsgemäß angemeldet. Am Dienstag war es dann so weit: Da sollte der Münchner Turmschreiber und Autor zahlreicher Bücher über die Wittelsbacher im Impfzentrum Gauting (Kreis Starnberg) erscheinen, um sich den dritten Piks abzuholen. Doch dazu kam es nicht: Ein Mitarbeiter „lehnte meine Boosterimpfung entschieden ab“ und schickte Schweiggert wieder heim. Begründung: Die Sechs-Monats-Frist zwischen Zweit- und Drittimpfung sei noch nicht eingehalten. Er solle wiederkommen, „wenn es so weit sei“.

Schweiggert steht mit seiner Erfahrung nicht allein. Auch die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Ruth Paulig (72) stand vergangene Woche umsonst vor einer Impfstation in Herrsching an – auch bei ihr war die Zeitspanne zwischen Zweit- und Drittimpfung offenbar zu kurz. Ähnlich erging es – dritter Fall – dem IT-Experten Thomas Bössl, der im Impfzentrum Rosenheim vorsprach. Er hat Vorerkrankungen, trotzdem wurde er nicht geboostert. Elf Tage fehlten zur Sechs-Monats-Frist.

Der Ärger bei den Betroffenen ist groß: „Die Politik säuselt, die Booster-Impfung müsse Fahrt aufnehmen. Doch das Einzige, was Fahrt aufnimmt, sind die Vorschriften“, spottet Schweiggert. Tatsächlich hat sich das Impfzentrum Gauting streng an die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gehalten. Diese erließ am 18. Oktober eine Richtlinie zur Auffrischimpfung, die demnach „frühestens sechs Monate nach der aus zwei Impfstoffdosen bestehenden abgeschlossenen Grundimmunisierung verabreicht werden“ solle. Da die Grundimmunisierung erst 14 Tage nach der Zweitimpfung besteht, müsste der Abstand demnach sogar sechseinhalb Monate betragen. Trotzdem gibt es Mediziner, für die die Frist nicht in Stein gemeißelt ist. Schweiggert hatte sich in seinem Ärger direkt beim Starnberger Landrat Stefan Frey beschwert, der die Kritik an den Ärztlichen Koordinator des Landkreises, Dr. Bernhard Junge-Hülsing, weiterleitete. Dieser reagierte via E-Mail schnell: Er werde den Vorfall in der nächsten Koordinierungssitzung besprechen. „Zukünftig wird sich das sicher nicht wiederholen.“ Der Arzt bot sogar einen kurzfristigen Impftermin in seiner Praxis an.

Beim Bayerischen Roten Kreuz, das das Impfzentrum in Gauting betreibt, weist Sprecher Sohrab Taheri-Sohi auf die Vorgaben der Stiko hin. Letztlich sei aber die individuelle ärztliche Anweisung entscheidend, die auch von der Stiko-Empfehlung abweichen könne. Ärzte würden mit „Augenmaß“ vorgehen.

Innerhalb des BRK wird auch der jüngste Booster-Hinweis von Ministerpräsident Markus Söder als wenig hilfreich eingeschätzt. Söder hatte am Dienstag gesagt: „Es gibt keine Reihenfolgen. Wer kommt, wird geimpft.“ Niemand solle ohne Impfung nach Hause geschickt werden. Das klang so, als könne jeder jederzeit kommen. Demgegenüber appelliert BRK-Sprecher Taheri-Sohi an alle Booster-Impfwilligen: „Bitte registrieren Sie sich in den Impfzentren und vereinbaren Sie einen Termin.“ Die Empfehlung gelte für alle 21 Impfzentren, die das BRK betreibt.

Ebenfalls ins Unreine gesprochen ist offenbar die Zusage von Söder, alle Bürger ab 60 würden nun angeschrieben. Die Stiko empfiehlt die Auffrischimpfung derzeit nur allen Personen ab 70 sowie dem Personal von Pflege- und Medizineinrichtungen.

Bürger zwischen 60 und 70 haben nach Meinung der Medizin noch etwas Zeit. Der Münchner Viren-Experte Prof. Franz Reichl von der Ludwig-Maximilians-Universität sagte, er rechne bei 60-Jährigen mit etwa sieben Monaten sicheren Impfschutz, ehe die Auffrischung geboten sei.

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