Iffeldorf – Wer weiß schon, wie das Holzrucken mit Rössern praktiziert wird? Dass Hopfen als Heilmittel eine beruhigende Wirkung hat? Und wie die Burschen früher ihren Schneid bewiesen haben? Egal, welches Thema – ganz nah dran an den Menschen sind die Autoren des „Oberbairischen Fest-Täg- und Alte-Bräuch-Kalenders“. Ein etwas sperriger Name für dieses freundliche, bilderreiche und vielfältige Magazin. „Mein Mann wollte einen exotischen Titel, der aufhorchen lässt“, sagt Brigitte Raab. Sie und ihr inzwischen verstorbener Mann Heinrich Matthias Raab, ein Grafiker und Werbeberater, brachten 1988 das erste Exemplar auf den Markt – und stießen gleich auf großes Interesse. „Schon beim ersten Kalender hatten wir die Druckkosten herin.“
Noch heute kommt der Kalender komplett ohne Werbeanzeigen aus. „Wir sind ein Familienbetrieb“, erklärt Tochter Maria Schulze (47). Zwei ihrer fünf Kinder arbeiten auch schon engagiert mit. Dazu kommen Hobbyfotografen, Bilder und Anregungen von Freunden.
Im Vergleich zur Anfangszeit werden heute anstatt 50 ganze 100 Seiten gestaltet – heuer unter anderem mit Geschichten über den Almabtrieb in Schliersee, über junge Musikanten auf der Glentleiten und Schiffleute aus Neubeuern (Landkreis Rosenheim). Es gibt Wissens- und Schmunzel-Rubriken sowie jede Menge Termine zu Tanz- und Musikveranstaltungen, Johannifeuer, Festzüge, Maifeiern und vieles mehr.
In Pandemie-Zeiten können allerdings auch die Kalendermacher für nichts garantieren. „Es fällt ja leider vieles aus“, bedauert Maria Schulze. „Das Brauchtum leidet unter der Pandemie.“ Ein Missstand, den die Kalendermachen ausgleichen wollen. „Wir tragen durch unsere Kalenderarbeit dazu bei, das Ganze lebendig zu halten“, sagt die Eberfingerin. „Ich möchte allen ans Herz legen: Durchhalten! Diese komische Zeit geht vorbei.“ Wichtig sei es, Möglichkeiten zu suchen, um trotzdem etwas umzusetzen, so wie die Pferdesegnung an Leonhardi – zwar ohne Zuschauer, aber der Sache wegen.
Den Idealismus der Familie, die bayerische Musik und Traditionen liebt und lebt, strahlt das Magazin auch aus. Das Erfolgsrezept bringt die 78-jährige Verlagschefin auf den Punkt: „Begeisterung! Wir sind nah an den Leuten dran und hören den Leuten zu.“ Ihre Tochter ergänzt: „Wir verbiegen uns nicht und bleiben authentisch.“ Bei neuen Vertriebswegen ist Flexibilität angesagt. „Wir werden in die sozialen Medien einsteigen, den Kalender gibt’s schon online zum Herunterladen“, sagt Maria Schulze. „Da muss man mit der Zeit gehen. Auch mein Vater war immer für jede neue Entwicklung offen, obwohl er ein traditioneller Mensch war.“ An die Zukunft des Kalenders glaubt sie fest: „Ich bin optimistisch, dass es weitergeht, genug Potenzial ist da.“